Jedes Jahr erkranken in Österreich über 44.000 Menschen an Krebs, rund 440.000 Personen leben mit einer Krebsdiagnose, Tendenz steigend. Die Behandlung von Krebs ist hochkomplex, sehr dynamisch und erfordert das Zusammenspiel vieler Disziplinen und aller Ebenen des Gesundheitssystems. Die Krebsversorgung muss daher laufend an die wachsende Zahl an Patient:innen und den medizinischen Fortschritt angepasst werden. Angesichts gleichzeitig bestehender Ressourcenengpässe bedarf es großer Anstrengungen, um die Versorgung von Menschen mit Krebs in Österreich auf hohem Niveau aufrecht zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund liefert der Österreichische Krebsreport Daten und Fakten zur Krebsversorgung in Österreich und bietet damit eine Grundlage für informierte Entscheidungen zur Krebsversorgung in Österreich. Damit möchten die Österreichische Krebshilfe und die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie dazu beitragen, die Krebsversorgung in Österreich auch in Zukunft auf hohem Niveau zu sichern.
Eine Krebsdiagnose ist mehr als eine medizinische Herausforderung – sie verändert Beziehungen und zwingt zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben. Persönliche Erfahrungen machen deutlich: Freundschaften verändern sich, neue Bindungen entstehen, und der Wunsch, nicht auf die Krankheit reduziert zu werden, bleibt zentral. Gleichzeitig erinnert sie uns an die Wichtigkeit von Vorsorge und die Verantwortung des Staates, umfassende Unterstützung zu bieten – von psychologischer Betreuung bis zu finanzieller Absicherung.
Johannes Rauch
Bundesminister für Soziales, Gesundheit,
Pflege und Konsumentenschutz
Der aktuelle Krebsreport setzt neue Maßstäbe: Erstmals wurden Daten des Krebsregisters mit weiteren Quellen wie u.a. Meldedaten, Erwerbsverläufen und Bildungsstand verknüpft, um fundierte Einblicke in die soziale und berufliche Situation von Krebspatient:innen zu gewinnen. Diese innovative Verbindung wissenschaftlicher Analyse und praxisnaher Perspektiven macht den Report zu einer unverzichtbaren Informationsquelle für Gesundheitsakteur:innen und Entscheidungsträger:innen - für ein besseres Verständnis des Krebsgeschehens in Österreich und die Möglichkeit, daraus evidenzbasierte Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
Der Beitrag liefert erstmals umfassende Analysen zur beruflichen Situation von Krebspatient:innen auf Basis verknüpfter Registerdaten. Besonders hervorzuheben ist die fundierte Untersuchung, wie sich Krebs auf die Erwerbsverläufe und das Arbeitsleben auswirkt, unter Einbeziehung von Faktoren wie u.a. Art der Tumorerkrankung, Geschlecht oder Bildungsstand. Diese neue Datenbasis schafft ein besseres Verständnis für die Herausforderungen Betroffener und bietet Grundlagen für gezielte Maßnahmen im Rahmen einer hochqualitativen Krebsversorgung.
Krebs verändert das Leben nicht nur medizinisch, sondern auch sozial: Einkommensverluste, Arbeitsplatzunsicherheit und psychische Belastungen sind häufige Folgen. Der Beitrag zeigt, wie wichtig finanzielle Unterstützung, flexible Arbeitsmodelle und psychosoziale Begleitung für Betroffene sind. Besonders die Österreichische Krebshilfe spielt eine zentrale Rolle – mit Soforthilfefonds, Beratung und psychoonkologischer Betreuung bietet sie konkrete Hilfe in einer oft existenziellen Lebenskrise und schließt Lücken im sozialen Netz.
Flexibilisierung der Arbeitszeit und Wiedereingliederungsteilzeit ermöglicht vielen Betroffenen eine stufenweise Rückkehr ins Berufsleben. Dennoch bleibt die Umsetzung in kleineren Unternehmen schwierig, da die notwendigen Ressourcen oft fehlen. So gibt ein Drittel der Krebspatient:innen an, aufgrund von behandlungsbedingten Einschränkungen nicht mehr in vollem Umfang arbeiten zu können.
Jede:r zweite Krebspatient:in leidet an psychischen Belastungen wie Angst, Depressionen oder Fatigue, die die Lebensqualität stark einschränken. Psychoonkologische Betreuung hilft, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und emotionale Stabilität zu fördern – Personalausstattung und Niederschwelligkeit der Angebote sind aber ausbaufähig.
Krebs beeinträchtigt oft die Sexualität durch veränderte Körperwahrnehmung, hormonelle Therapien oder psychische Belastungen wie Angst vor einem Rückfall. Partnerschaften leiden unter Sprachlosigkeit zu diesem Thema – professionelle Aufklärung und Beratung sind entscheidend, um Isolation und Missverständnisse zu vermeiden.
Die AGO und die Österreichische Krebshilfe empfehlen ab dem 20. Lebensjahr einen jährlichen Krebsabstrich und ab dem 30. Lebensjahr einen HPV-Test, der bei negativem Befund alle drei Jahre wiederholt werden sollte. In Österreich fehlen jedoch ein organisiertes Screeningprogramm und eine flächendeckende Kostenübernahme des HPV-Tests. Ein strukturiertes Zervixkarzinom-Screening mit HPV-Testung könnte die Teilnahmerate von derzeit geschätzten 50-60% erheblich verbessern.
Das österreichische Brustkrebs-Früherkennungsprogramm ist das einzige organisierte Screeningprogramm des Landes und war international wegweisend durch die frühzeitige Teilnahme ab 40 Jahren und die ergänzende Ultraschalluntersuchung bei dichtem Brustgewebe. Es erzielt eine hohe Diagnosequalität, hat jedoch mit einer Teilnahmequote von nur etwa 50% noch Potenzial, das durch gezielte Ansprache, insbesondere von Frauen mit Migrationshintergrund, weiter ausgeschöpft werden könnte.
Der Beitrag „10 Jahre ‚Don’t Smoke‘“ zeigt, wie Österreich vom europäischen Schlusslicht im Nichtraucherschutz durch gezielte Maßnahmen zum Vorreiter wurde. Besonders ist der Erfolg der Initiative, die durch gesellschaftliches Engagement und das „DON’T SMOKE“-Volksbegehren 2019 das absolute Rauchverbot in der Gastronomie durchsetzen konnte. Deutlich wird, wie eine breite Allianz aus Expert:innen, Organisationen und Öffentlichkeit nachhaltigen gesundheitspolitischen Wandel bewirken kann.
Das Krebsrahmenprogramm Österreich zielt darauf ab, Prävention, Diagnostik, Behandlung und Nachsorge von Krebserkrankungen systematisch zu verbessern. Es bietet einen strategischen Rahmen, um evidenzbasierte Maßnahmen umzusetzen, wie u.a. das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm, das Rauchverbot in der Gastronomie, den Ausbau psychoonkologischer Angebote, ein nationales Screening-Komitee und eine bessere Integration von Kommunikationstrainings für Gesundheitsberufe in der Onkologie.
Der Sinn zertifizierter Organkrebszentren liegt in der Sicherstellung einheitlicher Qualitätsstandards durch spezialisierte Expertise und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Hier können Diagnostik, Therapie und Nachsorge individuell und evidenzbasiert abgestimmt werden, wodurch die Behandlungsergebnisse und die Lebensqualität der Patient:innen verbessert werden. Auch in Österreich ist eine gezielte Erweiterung zertifizierter Organkrebszentren an strategisch wichtigen Standorten wünschenswert.
Onkologische Rehabilitation spielt eine zentrale Rolle, um die körperliche, psychische und soziale Lebensqualität von Krebspatient:innen nachhaltig zu verbessern. Der Beitrag beleuchtet die Herausforderungen: Individuelle Anpassung der Programme, besserer Zugang insb. in ländlichen Regionen, nahtlose Betreuung durch Vernetzung mit Akutbehandlung und Nachsorge. Zudem braucht es mehr Bewusstsein bei Ärzt:innen und Patient:innen, um die Inanspruchnahme von Rehabilitationsprogrammen zu erhöhen.
Die Highlights der Hämatologie und Onkologie 2023/2024 reflektieren wichtige Fortschritte: zielgerichtete Therapien, neue Ansätze in der Immunonkologie und individualisierte Behandlungsstrategien., Präzisionsmedizin, etwa durch CAR-T-Zelltherapien und molekulare Diagnostik, zeigen das Potenzial, bestehende Behandlungskonzepte weiter zu optimieren und Patient:innen besser zu unterstützen. Die Teilnahme an Studien ist ein entscheidender Faktor für den Zugang zu innovativen Therapien und den Fortschritt in der Onkologie.
Das Austrian Comprehensive Cancer Network (ACCN) soll akademische Institutionen, Forschungseinrichtungen und klinische Zentren in Österreich vernetzen, um die Krebsforschung und -versorgung voranzutreiben. Es fördert den Austausch von Forschungsergebnissen und die Ausbildung der nächsten Generation von Onkolog:innen. Mit seiner Ausrichtung auf exzellente Krebsversorgung positioniert sich das ACCN auch auf EU-Ebene als Modellprojekt und starker Partner für europäische Initiativen im Rahmen des „Europe’s Beating Cancer Plan“.
Die europäische HTA-Verordnung soll ab 2025 eine einheitliche Bewertung von Onkologika in den EU-Mitgliedsstaaten ermöglichen. Harmonisierung auf EU-Ebene ist die eine Seite der Medaille, die andere ist die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten und Bedürfnisse. In Österreich ergänzt das nationale Bewertungsboard diese Vorgaben, indem es zusätzliche lokale Faktoren wie Kosten und Nutzen im heimischen Gesundheitssystem berücksichtigt. Kritisch wird angemerkt, dass trotz harmonisierter Bewertung der Zugang zu neuen Therapien weiterhin stark von nationalen Budgetentscheidungen abhängen wird.
Im März 2022 wurde das Hospiz- und Palliativfondsgesetz (HosPalFG) von Nationalrat und Bundesrat beschlossen. Die ersten Rückmeldungen zum Ausbau der Palliative Care und Hospizversorgung sind positiv: Die Erweiterung ambulanter Angebote und die bessere Integration palliativmedizinischer Leistungen werden sowohl von Betroffenen als auch von Fachkräften begrüßt. Gleichzeitig wird betont, dass weitere Schritte nötig sind, um regionale Versorgungslücken zu schließen und die vorgesehenen Mittel nachhaltig einzusetzen.
Etablierung des Berufsbildes „Cancer Nurse“ in der hämato-onkologischen Pflege
Mit der Etablierung des Berufsbildes „Cancer Nurse“ wurde ein wichtiger Schritt in der hämato-onkologischen Pflege gesetzt, der auf die spezialisierte Betreuung von Krebspatient:innen abzielt. Durch gezielte Weiterbildung und klare Kompetenzprofile soll die Qualität der Pflege gesteigert werden. AHOP & OeGHO skizzieren die weiteren Schritte.
In der Onkologie wurden Trainingsprogramme zur Patient:innen-zentrierten Gesprächsführung eingeführt, um Ärzt:innen und Pflegekräften den Umgang mit sensiblen Themen zu erleichtern und die Balance zwischen sachlicher Information und emotionaler Unterstützung zu wahren. Die ersten Pilottrainings wurden durchwegs positiv bewertet. Sie führten zu einer verbesserten Kompetenz im Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen, wie dem Überbringen schlechter Nachrichten, und erleichterten den Umgang mit emotionalen Reaktionen.
Auch in diesem Jahr wurden Fachgesellschaften zu zentralen Fragestellungen und aktuellen Herausforderungen in der Onkologie eingebunden. Unter den Stichworten Personal, Spezialisierung und Versorgungsqualität wurde u.a. gefragt, wie spezialisierte Behandlungsstrukturen weiter ausgebaut und die Qualität der Versorgung trotz steigender Patient:innenzahlen gesichert werden kann und welche Maßnahmen erforderlich sind, um genügend qualifiziertes Personal für die onkologische Versorgung bereitzustellen.