E-Health in der Hämatologie und Onkologie in Österreich

Unter elektronisch unterstützten Anwendungen im Gesundheitswesen, kurz E-Health genannt, werden medizinische Dienstleistungen zusammengefasst, die Informations- und Kommunikationstechnologien für die Patientenversorgung verwenden. Diese innovative Form der medizinischen Versorgung nutzt Technologien wie Videokonferenzen, digitale Bildgebung, elektronische Gesundheitsakten und andere Kommunikationsmittel, um eine effektive Behandlung und -überwachung zu gewährleisten. Es ist allgemein akzeptiert, dass durch E-Health die Effizienz, Verfügbarkeit und Kontinuität der Betreuung von Krebspatient:innen verbessert werden. Doch wie sieht die Realität in Österreich aus? Welche Angebote von E-Health-Anwendungen gibt es für Krebspatient:innen und inwieweit werden diese von Dienstleistern im Gesundheitswesen bereitgestellt und von Krebspatient:innen angenommen? Im vorliegenden Beitrag werden ausschließlich Formen von E-Health beleuchtet, die von Gesundheitsdienstleistern bereitgestellt werden und an denen der/die Krebspatient:in selbst aktiv an der Anwendung beteiligt ist.

1. Öffentliche Gesundheitsportale

Gesundheitsportale sind Online-Plattformen, die Informationen, Dienstleistungen und Ressourcen im Zusammenhang mit Gesundheit und Medizin bereitstellen. Sie werden von Krebspatient:innen und deren Angehörigen gerne verwendet, da sie einen einfachen Zugang zu Informationen über die Krebserkrankung ermöglichen. Auch wenn klassische internetbasierte Gesundheitsportale dominieren, gibt es zunehmend Entwicklungen im Bereich der mobilen Gesundheitsanwendungen (mobile Health – mHealth). mHealth-Angebote sind auf die Anwendung auf mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets zugeschnitten und daher überall verfügbar.

Im Folgenden sind einige Funktionen von onkologischen Gesundheitsportalen aufgelistet:

  • Informationen zu verschiedenen Themen, u.a. Prävention, Behandlung, Lebensstil und supportive Angebote: Etablierte Portale sind Gesundheit.gv.at, Österreichische Krebshilfe und der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums. 
  • Online-Magazine oder Blogs, in denen Benutzer:innen Erfahrungen austauschen, Fragen stellen und sich gegenseitig unterstützen können, sind für Patient:innen zunehmend von Bedeutung. In Österreich hat sich die unabhängige Plattform „Kurvenkratzer“ als informative Anlaufstelle etabliert. 
  • Interaktive Tools erlauben es Krebspatient:innen, ihre Symptome zu überprüfen und allgemeine Ratschläge zur Selbsthilfe zu erhalten. Ein Beispiel hierfür ist die Online-Plattform der Österreichischen Krebshilfe, die ein etabliertes Instrument zur Messung der psychischen Belastung online zur Verfügung stellt. Die Ergebnisse können mit dem/der betreuenden Psychoonkolog:in des/der Patient:in datenschutzsicher geteilt werden. Auf der Patientenplattform „selpers“ gibt es neben zahlreichen Videos für Krebspatient:innen auch einen Online-Coach für pflegende Angehörige von Krebspatient:innen („Break4You“). 
 

Abb.: Beispiel für das Ergebnis einer Messung der psychischen Belastung eines Krebspatienten mithilfe des Hornheider-Instruments auf der Online-Plattform der Österreichischen Krebshilfe (https://meinekrebshilfe.net/portal/public/app/#/survey)

2. Elektronische Gesundheitsakten (EHR)

Hier ist in erster Linie das ELGA-­Portal zu nennen, in dem e-Medikation, e-Befunde und e-Impfpass eingesehen werden können. Es gibt auch Krankenhäuser in Österreich, die einen elektronischen Zugriff auf Gesundheitsdaten erlauben, die im Spital erhoben wurden. Ein Schwachpunkt ist, dass Patient:innen in diesen Portalen selbst keine Befunde ablegen können und dass Befunde einsichtig sind, die möglicherweise noch nicht besprochen wurden. Dass ein:e Patient:in so über sein/ihr Portal erfahren könnte, dass in einem Laborbefund oder CT-Befund der Verdacht eines Rückfalls einer Krebserkrankung besteht, ist ein potenzielles Problem dieser Portale. Für Krebspatient:innen spielen diese Portale eine untergeordnete Rolle. Im Alltag haben viele Betroffene weiterhin eine Patientenmappe, in der sie Arztbriefe und Befunde ablegen. 

3. Digitale Gesundheits­anwendungen (DiGA)

DiGA sind digitale, CE-gekennzeichnete Medizinprodukte niedriger Risikoklassen, die Patient:innen bei der Behandlung von Erkrankungen oder dem Ausgleich von Beeinträchtigungen unterstützen können. In manchen europäischen Ländern, z.B. Deutschland, kann der Hersteller sein Produkt bei der Behörde akkreditieren lassen, sodass die DiGA vom Arzt oder der Ärztin auf Rezept verordnet werden kann. In Österreich gibt es ein solches Regelverfahren derzeit nicht, es wird aber diskutiert. Nachdem Patient:innen in Österreich das Recht auf eine „optimale bzw. zweckmäßige“ Therapie haben, ist die Krankenkasse verpflichtet, die Kosten für eine DiGA zu tragen, die objektiv zur Wiederherstellung der Gesundheit dient. Eine individuelle Prüfung der Kostenerstattung einer DiGA durch den medizinischen Dienst („Chefarzt/-ärztin“) ist erforderlich.

4. Patientenbezogene Portale, die von Krankenhäusern angeboten werden

  • Spitalssuche und Terminvereinbarung: Vorreiter ist der Wiener Gesundheitsverbund mit seiner Plattform „oncare.wien“. Inwieweit das Angebot von Patient:innen bereits angenommen wird, ist bis dato nicht nach außen kommuniziert. 
  • Digitale ambulante Sprechstunde: Onkolog:innen (Teleonkologie) und Pflegefachkräfte (Telepflege) sowie andere supportive Fachexpert:innen können virtuelle Konsultationen abhalten, bei denen sie mit den Patient:innen über Videokonferenzen kommunizieren, um Symptome zu besprechen, Behandlungspläne zu erläutern oder den Fortschritt der Therapie zu überwachen. Dies erspart den Betroffenen die Anfahrt und Wartezeit in der Spitalsambulanz. Telekonsultationen werden nur in wenigen onkologischen oder palliativmedizinischen Einrichtungen durchgeführt, aber Ärzt:innen, die diese im klinischen Alltag einsetzen, berichten durchaus positiv. Telekonsultationen sind jedoch nur in Situationen möglich, in denen weder Labor, noch apparative Diagnostik oder therapeutische Interventionen erforderlich sind. 
  • mHealth-Anwendungen zur Messung von Körperfunktionen (z.B. Herzfrequenz, Temperatur) oder digitale Überwachung wie in der Telekardiologie sind in der Onkologie nicht im Einsatz. Anwendungen bei Patient:innen mit hohem Risiko für Infektionen sind vorstellbar. 
  • Seit Jahren wird von onkologischen Fachgesellschaften die regelmäßige Erfassung von Patient-reported Outcomes (PROs) bei Krebspatient:innen im klinischen Alltag gefordert. PROs sind Fragen zu Symptomen und Lebensqualität. Es gibt mittlerweile Studien, die einen signifikanten Überlebensvorteil für Patient:innen gezeigt haben, in deren Behandlung die Erfassung von PROs integriert war. Die Gründe hierfür sind vielfältig, beispielsweise das frühzeitigere Erkennen von auftretenden Beschwerden. Es ist sinnvoll, dass PROs elektronisch erhoben werden (ePRO). Manche Systeme werden als „Recall-Systeme“ geführt: Patient:innen werden von einer Pflegefachkraft oder einem Arzt bzw. einer Ärztin aktiv zurückgerufen, wenn Auffälligkeiten in den elektronisch übermittelten Antworten bestehen. Der mit Recall-Systemen verbundene Personalaufwand ist unklar. Im Rahmen des EU-Projektes eSMART (Electronic Symptom Management System Remote Technology) wird derzeit der Nutzen in einer multinationalen Studie untersucht. Österreich nimmt an dieser Studie teil (AKH Wien). An der Innsbrucker Universitätsklinik für Pädiatrie werden seit einigen Jahren alle jungen Krebspatient:innen eingeladen, an einem Telemonitoring (ePROtect) teilzunehmen. Laut Studienautor Roman Crazzolara nehmen 98% der Kinder und Eltern das Angebot an, die Ausfüllrate liegt bei fast 70%. Die Auswertungen zeigen, dass die jungen Patient:innen und ihre Familien mit dem System sehr gut zurechtkommen. 
  • Die Bereitstellung eines Online-Portals zur Erhebung von ePROs in der klinischen Routine ohne Recall-System ist rechtlich ein völlig neues Themenfeld für Spitäler. Im Rahmen der Pilotentwicklung des onkologischen Informationsportals „onkip“ im Tumorzentrum Oberösterreich wird ein klarer rechtlicher Rahmen für Spitäler und Ärzt:innen vorgegeben. Der erste Patient soll Anfang 2024 in den Piloten aufgenommen werden.

 

Conclusio

In den letzten Jahren wurden einige E-Health-Initiativen für Krebspatient:innen gesetzt. Viele einfache digitale Anwendungen sind bereits technisch gut entwickelt und verfügbar. Digitale Sprechstunde und ePRO-Systeme sind noch wenig verbreitet. DiGAs spielen in der Behandlung von Krebspatient:innen in Österreich noch keine Rolle. Die große Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, das digitale Angebot flächendeckend und niederschwellig auszurollen.

Ansgar Weltermann