Die Auswirkungen einer Krebsdiagnose auf die Erwerbstätigkeit in Österreich

Die psychosozialen Auswirkungen der Diagnose Krebs haben wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen. Sie umfassen die vielfältigen emotionalen, sozialen und psychologischen Folgen, die oftmals weit über die körperlichen Auswirkungen der Erkrankung und Behandlung hinausgehen. Die Fortführung bzw. Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit während oder nach erfolgter Krebsbehandlung spielt bei vielen Betroffenen eine wichtige positive Rolle. Auch wenn die Bedeutung dieses Themas seit Langem klar ist, gibt es in Österreich keine Daten zum Erwerbsverlauf von Krebserkrankten.

Für den Krebsreport 2024 wurde nun erstmals der Effekt einer Krebsdiagnose auf die Erwerbstätigkeit von Betroffenen auf nationaler Ebene untersucht. Für die Analyse wurden Daten des Österreichischen Nationalen Krebsregisters mit Daten zum Arbeitsmarkt zusammengeführt. Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse sind nicht nur im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit von Krebspatient:innen interessant, sondern zeigen auch, welches Potenzial die Vernetzung verschiedener Register für gesundheitspolitisch relevante Fragestellungen haben kann.

Datengrundlage

Datenbasis der vorliegenden Analyse ist das seit 1969 bestehende Österreichische Nationale Krebsregister von Statistik Austria. Die Anzahl der Krebsneudiagnosen, der Überlebenswahrscheinlichkeiten nach einer Krebsdia­gnose und die Zahl der aktuell von einer Krebserkrankung betroffenen Personen lassen sich in der Krebsstatistik in einer Zeitreihe darstellen und nach tumorspezifischen, demografischen und regionalen Merkmalen gliedern.
Zusätzlich zu den Daten aus dem Krebsregister wurden für die vorliegenden Analysen noch weitere Daten verwendet und datenschutzkonform mit jenen des Krebsregisters verknüpft.

Die Analysen basieren auf folgenden ­Datenquellen:*

  • Österreichisches Nationales ­Krebsregister
  • Zentrales Melderegister
  • Statistik der Standesfälle/­Todesursachenstatistik
  • Registerbasierte Erwerbsverläufe
  • Bildungsstandregister

Studienpopulation und Fragestellungen zu Krebs und Erwerbstätigkeit

Um eine belastbare Datenbasis zu haben, wurden die Daten von Personen mit einer Krebsdiagnose im Alter von 15–64 Jahren über einen Zeitraum von 8 Jahren, nämlich 2011–2018, verwendet. Insgesamt wurden 120.675 Personen mit einer Krebsdiagnose in die Analyse eingeschlossen. Die (weiter unten diskutierte) notwendige Nachbeobachtungszeit von mindestens 5 Jahren machte es nicht möglich, rezentere Zahlen zu inkludieren.

Um die Auswirkung einer Krebserkrankung auf die Erwerbstätigkeit** zu analysieren, wurden folgende Fragen gestellt:

  1. Wie viele Menschen in Österreich erkranken in der Lebensphase von Ausbildung und Erwerbsleben (15–64 Jahre) an Krebs?
  2. Wie viele dieser Menschen im Alter von 15–64 Jahren sind zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose erwerbstätig?
  3. Wie viele Menschen, die nach ihrer Krebsdiagnose mindestens fünf Jahre leben, schaffen es, zwei Jahre nach der Diagnose (noch oder wieder) erwerbstätig zu sein?
  4. Unterscheiden sich die Erwerbsverläufe dieser Krebserkrankten zwei Jahre nach ihrer Diagnose von der österreichischen Gesamtbevölkerung?
  5. In welcher Form verändert sich die Erwerbstätigkeit von Krebserkrankten ein bzw. zwei Jahre nach der Diagnose?
  6. Welche Faktoren beeinflussen, ob Menschen nach einer Krebsdiagnose erwerbstätig sind?

Da sich die Anzahl der zu untersuchenden Personen je nach Fragestellung unterscheidet, werden die Fragen in einzelnen Abschnitten abgehandelt. Es wird dabei jeweils kurz erläutert, auf welche Patient:innen sich die Analyse bezieht. Die Daten sind als Mittelwerte über den Beobachtungszeitraum angegeben und wurden zur besseren Lesbarkeit teilweise gerundet.

1. Wie viele Menschen in Österreich erkranken in der Lebensphase von Ausbildung und Erwerbsleben (15–64 Jahre) an Krebs?

In den Jahren 2011–2018 wurden in der österreichischen Wohnbevölkerung durchschnittlich etwa 41.500 Krebsneuerkrankungen pro Jahr diagnostiziert. Rund 36.400 Personen waren pro Jahr in diesem Zeitraum zum ersten Mal mit einer Krebsdiagnose konfrontiert. Da das Risiko, an Krebs zu erkranken, mit dem Alter deutlich ansteigt, betrifft der überwiegende Teil der Neuerkrankungen Menschen in höherem Alter. Dennoch zeigt unsere Analyse, dass durchschnittlich rund 15.100 Personen, die in einem Kalenderjahr eine Krebsdiagnose erhalten, zwischen 15 und 64 Jahre alt sind. Damit stehen knapp über 40% der jährlich Neuerkrankten in der Lebensphase von Ausbildung bzw. Erwerbsleben.
Von den 15.100 Betroffenen sind rund 1.600 zwischen 15 und 39 Jahre und rund 13.500 zwischen 40 und 64 Jahre alt. Die häufigsten Krebsneuerkrankungen zwischen dem 15. und 64. Lebensjahr sind in absteigender Reihenfolge Brustkrebs, Magen-Darm-Krebs, Lungenkrebs, Prostatakrebs, Blutkrebserkrankungen und Melanome.
Zu Beginn 2023 lebten 2,3% der österreichischen Wohnbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren mit oder nach einer Krebsdiagnose (Prävalenz), dies sind insgesamt rund 140.000 Personen (59.448 Männer und 77.960 Frauen).

2. Wie viele dieser Menschen im Alter von 15–64 Jahren sind zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose ­erwerbstätig?

Aus unterschiedlichen Gründen sind nicht alle Personen zwischen 15 und 64 Jahren erwerbstätig. Da wir uns der Frage annähern wollen, welche Effekte eine Krebsdiagnose auf das Erwerbsleben hat, werden im Folgenden nur jene Personen näher betrachtet, die tatsächlich während aufrechter Erwerbstätigkeit von einer Krebsdiagnose betroffen sind.
Es zeigt sich, dass jährlich durchschnittlich 8.500 Personen zwischen 15 und 64 Jahren eine Krebsdiagnose erhalten, während sie im Erwerbsleben stehen. Das entspricht 56% aller in diesem Alter erkrankten Menschen.
In die weitere Analyse wurden daher über den Zeitraum von 2011 bis 2018 insgesamt 67.794 Personen eingeschlossen.

3. Wie viele Menschen, die nach ihrer Krebsdiagnose mindestens fünf Jahre leben, schaffen es, zwei Jahre nach der Diagnose (noch oder wieder) erwerbstätig zu sein?

Die Basis für die folgende Analyse bilden, wie in Punkt 2 beschrieben, nur jene Personen, die tatsächlich während ihrer Erwerbstätigkeit an Krebs erkranken. Bei der Analyse des Erwerbsverlaufs muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass manche Menschen so schwer an Krebs erkranken, dass eine Rückkehr ins Erwerbsleben aus gesundheitlichen Gründen sehr erschwert oder sogar ausgeschlossen ist. Dazu zählen insbesondere jene Patient:innen, die innerhalb weniger Jahre nach ihrer Krebserkrankung versterben. Für die weitere Analyse wurden daher nur Patient:innen herangezogen, die fünf Jahre nach ihrer Krebsdiagnose nicht als verstorben gemeldet waren. Damit wird der Fokus der Betrachtung auf jene Personen beschränkt, deren Erwerbskarriere durch die Krebserkrankung idealerweise nur vorübergehend beeinträchtigt wird.
Es darf an dieser Stelle allerdings keinesfalls vergessen werden, dass auch für Menschen mit kürzerem Überleben die Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit oder Ausbildung oft einen wesentlichen positiven Faktor darstellen kann. Diese Tatsache wird im Kapitel „Die soziale Dimension von Krebs“ (ab Seite 22) entsprechend dargestellt.

Die für die folgenden Analysen nun ­resultierende Gruppe sind Personen,

  • die im Alter zwischen 15 und 64 Jahren an Krebs erkranken und
  • zum Zeitpunkt der Diagnose ­erwerbstätig sind und
  • fünf Jahre nach ihrer Diagnose am Leben sind.

Daraus ergibt sich eine Ausgangsbasis von 52.543 Personen (Diagnose 2011–2018). Dies sind 78% jener 67.794 Personen, die im Alter von 15–64 Jahren und während laufender Erwerbstätigkeit mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind.
Um den Erwerbsverlauf dieser Menschen zu untersuchen, wurde die Erwerbstätigkeit zwei Jahre nach der Krebsdiagnose betrachtet. Dieser Zeitpunkt wurde gewählt, weil die Krebsbehandlung bei vielen Patient:innen innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden kann und somit theoretisch eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit spätestens nach zwei Jahren möglich ist. Daten aus Deutschland zeigen außerdem, dass der berufliche Wiedereinstieg von Krebserkrankten in 90% aller Fälle (in denen es jemals zur Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit kommt) innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Diagnose gelingt.1
Von der definierten Personengruppe (15–64 Jahre; erwerbstätig zum Zeitpunkt der Diagnose; mindestens fünf Jahre nach Diagnose am Leben) sind 77,3% nach zwei Jahren wieder bzw. weiterhin erwerbstätig. Dieses Ergebnis kann auf zweierlei Art interpretiert werden: Positiv ist, dass die große Mehrheit der Betroffenen in der Lage ist, zwei Jahre nach der Diagnose wieder bzw. weiterhin erwerbstätig zu sein. Andererseits verändert sich für mehr als 20% aller Betroffenen der Erwerbsverlauf nach einer Krebsdiagnose erheblich, da sie zwei Jahre nach der Diagnose in keinem aufrechten Dienstverhältnis stehen.

4. Unterscheiden sich die Erwerbsverläufe dieser Krebserkrankten zwei Jahre nach ihrer Diagnose von der österreichischen Gesamtbevölkerung?

Im Erwerbsverlauf von Menschen gibt es normale Fluktuationen. Es ist daher die Frage zu stellen, ob die oben beschriebenen Zahlen der natürlichen Schwankung des Erwerbsstatus in der Gesamtbevölkerung entsprechen oder ob die Zahlen bei Menschen mit vorangegangener Krebsdiagnose tatsächlich anders sind.
Zu diesem Zweck wurde die Gruppe der Krebserkrankten, die im letzten Absatz betrachtet wurde, nun mit der Gesamtbevölkerung ohne Krebs*** verglichen. Dabei wurden die gleichen Bedingungen (Alter 15–64 Jahre; erwerbstätig zum Stichtag; mindestens fünf Jahre nach Stichtag am Leben) herangezogen.
Es zeigt sich, dass der „natürliche“ Verlauf des Erwerbsstatus ein anderer ist als bei Krebserkrankten: In der Gesamtbevölkerung sind nach zwei Jahren 89,4% aller Menschen weiterhin oder wieder erwerbstätig, verglichen mit 77,3% aller von Krebs betroffenen Personen. Es besteht somit ein Unterschied von etwas mehr als 12 Prozentpunkten. Bei der Interpretation dieses Unterschieds ist allerdings Vorsicht geboten: In der Altersgruppe 15–64 Jahre ist das mittlere Alter von Menschen, die an Krebs erkranken, deutlich höher als das der Gesamtbevölkerung. Dies wäre eine Erklärung dafür, dass Krebspatient:innen häufiger aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Tatsächlich ist das durchschnittliche Alter von Krebspatient:innen mit 49,4 Jahren um ca. 10 Jahre höher als das der Gesamtbevölkerung (40,3 Jahre). Eine Teilung in Altersgruppen (Tabelle und Abbildung 1) zeigt allerdings, dass auch innerhalb der verschiedenen Altersgruppen ein deutlicher Unterschied im Erwerbsverlauf zwischen den beiden Personengruppen bestehen bleibt.

Tab.: Erwerbstätigkeit zwei Jahre nach einer Krebsdiagnose in Prozent, nach Geschlecht und Alter, in Abhängigkeit einer Krebsdiagnose

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Österreichisches Krebsregister (Stand 09.01.2024), Todesursachenstatistik  und registerbasierte Erwerbsverläufe

Erwerbstätigkeit 2 Jahre nach Krebsdiagnose

 

Abb. 1: Vergleich der Erwerbstätigkeit von Krebserkrankten mit der Gesamtbevölkerung zwei Jahre nach Krebsdiagnose bzw. nach Stichtag für Männer und Frauen nach Altersgruppen

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Österreichisches Krebsregister (Stand 09.01.2024), Todesursachenstatistik und registerbasierte Erwerbsverläufe

Die Tabelle sowie Abbildung 1 zeigen die Anteile der Erwerbstätigkeit von Krebserkrankten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, jeweils zwei Jahre nach Krebsdiagnose (im Fall der Krebserkrankten) bzw. nach Stichtag (im Fall der Gesamtbevölkerung). Insbesondere bei den 55- bis 64-Jährigen ist die Erwerbstätigkeit nach zwei Jahren bei Krebserkrankten deutlich geringer als in der Gesamtbevölkerung (15,5 Prozentpunkte Unterschied bei Männern und 17,3 Prozentpunkte Unterschied bei Frauen; siehe Tabelle). Während in der Gesamtbevölkerung zwischen 60 und 64 Jahren (siehe Abbildung 1) nach zwei Jahren noch mehr als 50% (Männer: 63,2%, Frauen: 55,0%) erwerbstätig sind, sind es bei Personen, die an Krebs erkrankt sind, insgesamt unter 40% (Männer: 43,7%; Frauen 35,6%). Interessanterweise bestehen auch bei Personen, die jünger als 30 Jahre sind, größere Unterschiede (in der Erwerbstätigkeit nach zwei Jahren zwischen Krebserkrankten und anderen) als im mittleren erwerbstätigen Alter, was möglicherweise daran liegt, dass eine Krebserkrankung stärkeren Einfluss auf die weniger stabile berufliche Situation in jüngeren Berufsjahren hat.
In allen Altersgruppen sind die beobachteten Unterschiede zwischen Krebserkrankten und der Gesamtbevölkerung bei Frauen größer als bei Männern. Auch nach Berücksichtigung von Alter und Geschlecht haben Krebserkrankte eine deutlich geringere Chance als die Gesamtbevölkerung, zwei Jahre nach Diagnose erwerbstätig zu sein. Im Zeitverlauf von 2011 bis 2018 zeigt sich dabei keine Veränderung.

5. In welcher Form verändert sich die Erwerbstätigkeit von Krebserkrankten ein bzw. zwei Jahre nach der Diagnose?

Die zeitliche Änderung im Erwerbsverlauf von Menschen nach Krebsdiagnose verdient eine nähere Betrachtung. In Abbildung 2 ist daher der Erwerbsstatus ein und zwei Jahre nach Krebsdiagnose von jenen Personen dargestellt, die zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose erwerbstätig waren und nach einer Krebsdiagnose zumindest fünf Jahre lebten.
Aus Abbildung 2 (und den zugehörigen Zahlen) lassen sich folgende Punkte ­ableiten: 
Ein Jahr nach Krebsdiagnose sind 4 von 5 Betroffenen (80,1%), die zum Zeitpunkt der Diagnose erwerbstätig und fünf Jahre nach Diagnosestellung noch am Leben waren, noch oder wieder erwerbstätig (orange in Abbildung 2). Davon befindet sich zu diesem Zeitpunkt ein sehr kleiner Teil, nämlich insgesamt 1,7%, bei aufrechtem Dienstverhältnis in Krankenstand/Karenz/Rehabilitation (in Abbildung 2 nicht gesondert dargestellt).
Rund jeder Fünfte (19,9%) steht zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr im Erwerbsleben.
Der größte Teil Letzterer, nämlich insgesamt 11,0% (blau in Abbildung 2), steht nach einem Jahr nicht mehr in einem Dienstverhältnis, bezieht aber auch keine Pension (sog. „nicht erwerbstätiger“ Zustand). Von diesen Personen ist etwa die Hälfte in Krankenstand/Rehabilitation und etwa jeder Sechste arbeitslos/-suchend.
Hingegen beziehen 9,0% (grau in Abbildung 2) der Betroffenen nach einem Jahr bereits eine Pension. Dies erklärt sich auch aus der Tatsache, dass ca. 9% aller Betroffenen zum Diagnosezeitpunkt bereits zwischen 60 und 64 Jahre alt sind.
Im zweiten Jahr nach Diagnosestellung geht nochmals ein Teil der Betroffenen in Pension (insgesamt 6,7% der Betroffenen), weitere 2,9% wechseln aus der Erwerbstätigkeit in den „nicht erwerbstätigen“ Zustand. Im Gegenzug kommen viele Krebserkrankte (4,9% der Grundgesamtheit) aus Krankenstand, Rehabilitation oder Pension im zweiten Jahr zurück in eine Beschäftigung. In Summe ergibt sich, dass der Anteil Erwerbstätiger im zweiten Jahr nach Diagnose nochmals gering auf 77,3% abnimmt.
Insgesamt beziehen 14,8% aller ­Betroffenen zwei Jahre nach Diagnosestellung eine Pension. Auffallend ist bei jenen, die im zweiten Jahr nach Diagnose in Pension gehen, dass die große Mehrheit von ihnen (4,8% der Grundgesamtheit) aus einer weiterhin oder wieder bestehenden Erwerbstätigkeit kommt. Hingegen sind es deutlich weniger Betroffene, die im zweiten Jahr nach Diagnosestellung direkt aus einem nicht erwerbstätigen Zustand in Pension gehen (1,9% der Grundgesamtheit).
Interessant ist auch, dass der Anteil geringfügig Beschäftigter im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen im Verlauf der Zeit in etwa gleich bleibt (in Abbildung 2 nicht dargestellt). Anzumerken ist hierbei, dass Teilzeitbeschäftigung (inkl. Wiedereingliederungsteilzeit) in den vorliegenden Ergebnissen nicht separat ausgewiesen ist, sodass eine Steigerung der Quote an Teilzeitbeschäftigung (bzw. Reduktion der Vollzeitbeschäftigung) unter den Erwerbstätigen hier nicht sichtbar wäre.

Erwerbsverläufe von Krebspatient:innen

 

Abb. 2: Verlauf des Erwerbsstatus von Krebserkrankten über zwei Jahre (Sankey-Diagramm). Inkludiert wurden zum Zeitpunkt der Diagnose erwerbstätige Patient:innen zwischen 15 und 64 Jahren, die fünf Jahre nach Diagnosestellung noch am Leben waren.

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Österreichisches Krebsregister (Stand 09.01.2024), Todesursachenstatistik und registerbasierte Erwerbsverläuf

6. Welche Faktoren beeinflussen,ob Menschen nach einer Krebs­diagnose erwerbstätig sind?

Um jene Faktoren zu identifizieren, die bei Krebspatient:innen ein besonders hohes Risiko darstellen, nach zwei Jahren nicht mehr erwerbstätig zu sein, wurde die Gruppe der Krebserkrankten noch genauer analysiert. Weiterhin handelt es sich bei den folgenden Analysen ausschließlich um jene Menschen zwischen 15 und 64 Jahren, die während aufrechter Erwerbstätigkeit von Krebs betroffen waren und mindestens fünf Jahre nach der Krebsdiagnose noch lebten.
Es wurden mehrere mögliche und gleichzeitig verfügbare Faktoren, die Einfluss auf den Erwerbsverlauf von Krebserkrankten haben könnten, identifiziert:

  • Alter
  • Geschlecht
  • Höchster Bildungsabschluss
  • Haushaltsform
  • Art der Tumorerkrankung
  • Tumorstadium

Von diesen Faktoren haben Alter, Geschlecht und Bildungsabschluss auch bei Nicht-Krebserkrankten großen Einfluss auf den Erwerbsverlauf, die Haushaltsform einen deutlich geringeren. Der Einfluss dieser Faktoren auf die Erwerbstätigkeit besteht auch bei Krebserkrankten. Bei diesen zeigt sich allerdings zusätzlich ein deutlicher Einfluss der Art der Tumorerkrankung (Abbildung 3) und des Tumorstadiums bei Diagnosestellung (Abbildung 4) auf die Erwerbstätigkeit.
Abbildung 3 zeigt, dass der weitere Erwerbsverlauf von Betroffenen je nach Tumorart unterschiedlich ist. Manche Tumorerkrankungen beeinträchtigen die weitere Erwerbstätigkeit vergleichsweise weniger: Dazu gehören das Melanom, Schilddrüsenkrebs und Prostatakrebs. Andere Tumorerkrankungen wie Nieren-/Blasenkrebs, Brustkrebs, Krebs des Magen-Darm-Trakts sowie Krebs der Gebärmutter und der Eierstöcke gehen im Vergleich dazu mit einem erhöhten Risiko einher, nach der Krebsdiagnose aus der Erwerbstätigkeit auszuscheiden. Die Diagnose eines bösartigen Gehirntumors, von Lungenkrebs, eines HNO-Tumors oder von Blutkrebs geht hingegen vergleichsweise mit dem höchsten Risiko einher, zwei Jahre nach Diagnosestellung nicht mehr erwerbstätig zu sein.
Zu bedenken ist, dass dieser Befund besteht, obwohl nach Alter, Bildungsgrad, Geschlecht und Tumorstadium der Betroffenen adjustiert wurde und nur Patient:innen inkludiert wurden, die fünf Jahre nach Krebsdiagnose noch lebten.

Erwerbstätigkeit 2 Jahre nach Krebsdiagnose – Unterschiede nach Diagnose

 

Abb. 3: Einfluss der Art der Tumorerkrankung auf die Erwerbstätigkeit nach zwei Jahren (adjustiert nach Alter, Geschlecht, Haushaltsstatus, Bildung und Tumorstadium; Referenzgruppe: Patient:innen mit Brustkrebs – Odds Ratio: 1)

Quelle:  STATISTIK AUSTRIA, Österreichisches Krebsregister (Stand 09.01.2024), Todesursachenstatistik und registerbasierte Erwerbsverläufe

Wenig überraschend beeinflusst das Stadium der Tumorerkrankung den Verlauf der Erwerbstätigkeit (Abbildung 4), wobei Patient:innen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen nach zwei Jahren vergleichsweise deutlich seltener erwerbstätig sind. Hämatologische Erkrankungen („Blutkrebs“, inkludiert auch Lymphdrüsenkrebs) haben insgesamt eine ähnlich starke Auswirkung auf die Erwerbstätigkeit von Betroffenen wie regionalisierte Tumoren.

Daraus lassen sich folgende Aussagen ableiten:

  1. Frauen sind nach einer Krebserkrankung etwas seltener als Männer wieder oder weiterhin erwerbstätig. Der Einfluss des Geschlechts auf die weitere Erwerbstätigkeit ist allerdings bei Krebserkrankten geringer als bei der Gesamtbevölkerung ohne Krebs. 
  2. Auch das Alter von Krebserkrankten beeinflusst den weiteren Erwerbsverlauf: Ab dem 50. Lebensjahr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen nach einer Krebserkrankung erwerbstätig bleiben oder wieder ins Erwerbsleben zurückkehren. Die Rückkehr ins Erwerbsleben ist bei Krebserkrankten nach dem 55. Lebensjahr noch kleiner und ab dem 60. Lebensjahr gering. Zusätzlich ist das Risiko bei besonders jungen Menschen (< 25 Jahre), die an Krebs erkranken, hoch, (für zumindest zwei Jahre) aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Auch in der nicht an Krebs erkrankten Bevölkerung hat das Alter großen Einfluss auf die weitere Erwerbstätigkeit.
  3. Je höher der Bildungsabschluss, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer Krebserkrankung weiterhin oder wieder erwerbstätig zu sein. Ein Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und Erwerbstätigkeit besteht auch in der Gesamtbevölkerung.
  4. Die Art der Erkrankung hat großen Einfluss darauf, ob Krebserkrankte wieder ins Erwerbsleben zurückkehren oder erwerbstätig bleiben. Patient:innen mit bösartigen Hirntumoren oder Lungenkrebs, gefolgt von jenen mit bösartigen HNO-Tumoren, haben die höchste Wahrscheinlichkeit, aus ihrer Erwerbstätigkeit auszuscheiden. Die Diagnose Brust- und Eierstockkrebs sowie Krebs des Magen-Darm-Trakts geht mit einem weniger hohen Risiko einher. Im Vergleich dazu besteht bei Patient:innen mit Haut-, Schilddrüsen- oder Prostatakrebs eine erhöhte Chance, weiterhin oder wieder erwerbstätig zu sein.
  5. Das Tumorstadium hat großen Einfluss auf die weitere Erwerbstätigkeit von Krebspatient:innen, auch wenn diese ihre Diagnose mindestens fünf Jahre überleben: Je fortgeschrittener das Tumorstadium, desto größer ist das Risiko, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.
  6. Die Haushaltsform hat nur geringen Einfluss auf die weitere Erwerbstätigkeit von Krebserkrankten.

Erwerbstätigkeit 2 Jahre nach Krebsdiagnose – Unterschiede nach Tumorstadium

 

Abb. 4: Einfluss  des Tumorstadiums auf die Erwerbstätigkeit nach zwei Jahren (adjustiert nach Alter, Geschlecht, Haushaltsstatus, Bildung und Art der Tumorerkrankung; Systemerkrankung: umfasst Blutkrebs und Lymphdrüsenkrebs; disseminiert: Tumorerkrankung mit Fernmetastasen; regionalisiert: Tumorerkrankung mit regionalen Lymphknotenmetastasen; lokalisiert: Tumorerkrankung ohne Metastasen)

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Österreichisches Krebsregister (Stand 09.01.2024), Todesursachenstatistik und registerbasierte Erwerbsverläufe

Zusammenfassung

Im vorliegenden Beitrag wurde die Frage behandelt, ob und inwiefern eine Krebsdiagnose den Erwerbsverlauf von Betroffenen in Österreich beeinflusst. Mit der vorliegenden Analyse wollen wir eine erste Datengrundlage für die Fragestellung liefern, ob Rehabilitations- und Reintegrationsmaßnahmen in Österreich in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, um eine weitere Erwerbstätigkeit nach abgeschlossener Krebsbehandlung zu unterstützen. Die im Artikel beschriebene Einschränkung der betrachteten Patientenkohorten auf jene Personen, die zwischen 15 und 64 Jahre sind, während aufrechter Erwerbstätigkeit an Krebs erkranken und die Erkrankung mindestens fünf Jahre überleben, ist die auf Basis der verfügbaren Daten bestmögliche Annäherung an die beschriebene Fragestellung.
Wir zeigen, dass ca. 8.500 Personen pro Jahr in Österreich während ihrer Erwerbstätigkeit an Krebs erkranken. Das entspricht ca. 23% aller Menschen, die pro Jahr von einer Krebsdiagnose betroffen sind. Aufgrund der zunehmenden Prävalenz von Krebserkrankungen leben mittlerweile ca. 140.000 Menschen der österreichischen Wohnbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren (ca. 2,3%) mit oder nach einer Krebsdiagnose. Allein diese Zahlen machen deutlich, dass die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nach einer Krebsdiagnose ein volkswirtschaftlich relevantes Thema ist.
Ein Jahr nach Diagnosestellung ist jede:r Fünfte der zuvor erwerbstätigen Betroffenen nicht mehr erwerbstätig. Unabhängig davon, in welchem „nicht erwerbstätigen Zustand“ sich diese Personen befinden (Krankenstand/Rehabilitation ohne aufrechtes Dienstverhältnis, Pension etc.), ist davon auszugehen, dass das Einkommen dieser Personen deutlich niedriger ist als ein Jahr zuvor. Zusätzlich ist bei unserer Analyse der Anteil derjenigen, die nur in geringerem Ausmaß als zuvor wieder berufstätig sein können (Teilzeitbeschäftigung), nicht berücksichtigt. Gleichzeitig mit der im Beitrag „Die soziale Dimension von Krebs“ dargestellten finanziellen Belastung aufgrund einer Krebserkrankung untermauern unsere Zahlen die Tatsache, dass eine Krebserkrankung für viele Betroffene eine große finanzielle Herausforderung darstellt.
Erfreulicherweise steht von jenen Betroffenen, die fünf Jahre nach Krebsdiagnose noch leben, ein Großteil, nämlich 77,3%, nach zwei Jahren noch bzw. wieder im Erwerbsleben. Diese Zahlen sind für Österreich neu und im Vergleich zu publizierten Daten aus Deutschland plausibel.1
Insgesamt gelingt es allerdings 22,7% der (zum Diagnosezeitpunkt erwerbstätigen) Betroffenen nicht, innerhalb von zwei Jahren wieder ins Erwerbsleben zurückzukehren. Ein großer Teil davon betrifft Pensionierungen: Ein Jahr nach Diagnosestellung sind bereits 9,0% der Betroffenen in Pension, zwei Jahre nach Diagnosestellung sind es 14,8%. Hier besteht natürlich ein starker Zusammenhang mit dem Alter der Betroffenen. Die Wahrscheinlichkeit, nach Krebs erwerbstätig zu sein, hängt aber auch mit dem Bildungsgrad und dem Geschlecht sowie mit der Art und dem Stadium der Tumorerkrankung zusammen.
Die Erwerbsverläufe von Menschen nach einer Krebsdiagnose sind anders als jene der Gesamtbevölkerung. Insbesondere bei Erkrankten im jüngeren erwerbstätigen Alter sowie bei Menschen über 55 Jahren führt eine Krebsdiagnose zu einem Einschnitt im Erwerbsleben. Ein beträchtlicher Anteil älterer Betroffener geht innerhalb von zwei Jahren nach einer Krebsdiagnose in Pension, nämlich 24,7% der über 50-Jährigen (vs. 9,9% in der Gesamtbevölkerung) und 34,7% der über 55-Jährigen (vs. 18,7% in der Gesamtbevölkerung). Die Unterschiede zur Gesamtpopulation sind bei Frauen größer als bei Männern. Ein niedriger Bildungsabschluss erhöht das Risiko nochmals, nicht erwerbstätig zu bleiben. Der Einfluss des Geschlechts auf den Erwerbsverlauf von Krebserkrankten ist in Österreich zwar gering, aber – anders als in Deutschland – nachweisbar.1
Um aus den gezeigten Daten Handlungskonsequenzen abzuleiten, sind genauere Analysen einzelner Gruppen von Betroffenen (Kombinationen aus z.B. Alter, Erkrankung, Stadium und Bildungsgrad) notwendig. Starke Korrelationen zwischen mehreren Faktoren (z.B. Alter, Art der Erkrankung und Geschlecht etc.) sind nicht nur möglich, sondern auch sehr wahrscheinlich und verdienen eine genauere Betrachtung. Ebenso wäre die Identifikation der jeweils relevantesten und bislang nicht berücksichtigten Risikofaktoren (Art der Behandlung, Wohnort, andere psychosoziale Faktoren etc.) pro Gruppe wesentlich, um zielgerichtete Reintegrationsmaßnahmen zu entwickeln. Solche weiteren Analysen würden allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen und werden, soweit möglich, separat publiziert.
Wir hoffen, mit der nun vorliegenden erstmaligen Verknüpfung von Daten der Krebsstatistik mit weiteren (Register-)Daten zu zeigen, dass aus solchen und weiteren Analysen versorgungsrelevante Erkenntnisse gewonnen werden können. Um die Therapie und die Nachsorge der zunehmenden Zahl an Krebserkrankten in Österreich bewältigen zu können, werden tiefer gehende Auswertungen dieser Daten, aber auch weitere Analysen, beispielsweise unter Hinzuziehung psychosozialer Risikofaktoren für Krebs, notwendig sein. Die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen und Ressourcen, um einen zielgerichteten Bedarf zu erheben und Maßnahmenpakete für Betroffene abzuleiten, ist essenziell, um eine hochqualitative und umfassende Versorgung in Österreich zu sichern.

Monika Hackl, Ansgar Weltermann, Florian Trauner, Kathrin Strasser-Weippl 
Wir danken Johanna Einfalt-Schneider, Ernst Leser, Petra Ihle und Alexander
Kowarik
für ihre Unterstützung bei der Bereitstellung und ­Auswertung der Daten.

 

1 Volker A et al., Acta Oncol 2019; 58:811–18

* Beschreibung der Datenquellen: 
Die epidemiologischen Daten der Krebsstatistik eines Landes bzw. einer Region beziehen sich auf die jeweilige Wohnbevölkerung. Für Österreich bedeutet das, dass entsprechend den Angaben im Zentralen Melderegister entschieden wird, ob es sich bei der erkrankten Person zum Zeitpunkt der Diagnosestellung um eine Person der österreichischen Wohnbevölkerung handelt. Aus dem Zentralen Melderegister und der Statistik der Standesfälle/Todesursachenstatistik stehen das Sterbedatum und die amtliche Todesursache – unabhängig vom Sterbeort und von der Todesursache – für weitere Analysen zum Verlauf einer Krebserkrankung zur Verfügung. Die registerbasierten Erwerbsverläufe liefern Daten zum „Erwerbsstatus“ (erwerbstätig inkl. Krankenstand, Karenz etc., arbeitslos, Pensionsbezug, in Ausbildung etc.). Informationen zum Bildungsgrad (Pflichtschule, AHS, Hochschulabschluss etc.) stehen aus dem Bildungsstandregister zur Verfügung.
** Erwerbstätigkeit umfasst hier und im Folgenden (ILO-Konzept, International Labour Organisation): 
 • unselbstständig, selbstständig und geringfügig erwerbstätig
 • aufrechtes Dienstverhältnis bei z.B. Krankengeld, Krankenstand, Reha-Zeit, Mutterschutz, Eltern- oder sonstiger Karenz
 • Grundwehrdienst, Ausbildungsdienst und Zivildienst
***  Im Folgenden umfasst der Begriff Gesamtbevölkerung jenen Anteil  der Bevolkerung, der im Beobachtungszeitraum keine Krebsdiagnose erhalten hat.