Personal, Spezialisierung, Versorgungsqualität

Berichtsjahr 2024 österreichischer Fachgesellschaften

Die fachgesellschaftliche Diskussion im Jahr 2024 verdeutlicht die zentrale Rolle einer zukunftssicheren Versorgung in der Onkologie. Drei zentrale Fragen – zur Personalsituation, zum Verhältnis von Pensionierungen zu Nachwuchs sowie zur Sicherstellung der Spezialisierung – spiegeln die gemeinsamen Herausforderungen trotz fachspezifischer Unterschiede wider.

Personalsituation und Nachwuchs:
Quer durch die Fachbereiche zeigt sich ein ähnliches Bild: Der Mangel an Fach- und Assistenzärzt:innen ist weitverbreitet und wird sich durch pensionsbedingte Abgänge in den kommenden Jahren weiter verstärken. Initiativen zur Attraktivierung der Ausbildungsstätten und innovativen Nachwuchsförderung – wie etwa Young Groups oder spezifische Summer Schools – gewinnen zunehmend an Bedeutung. Es gibt fachspezifische Unterschiede, aber es besteht Konsens darüber, dass nur durch gezielte Maßnahmen in Ausbildung und Arbeitsklima dem drohenden Versorgungsengpass entgegengewirkt werden kann.

Herausforderungen der Spezialisierung: Die Bedeutung hoch qualifizierter Spezialisierungen wird betont. Während viele Fachgesellschaften die Spezialisierung als notwendiges Element zur Qualitätssicherung sehen, mahnen sie gleichzeitig eine flächendeckende Verfügbarkeit ein. Die Bündelung von Expertise in Zentren (z.B. Brustgesundheitszentren oder nuklearmedizinische Einrichtungen) gewährleistet hohe Versorgungsqualität, birgt aber das Risiko regionaler Versorgungslücken. Insbesondere die Telepathologie sowie digitale Technologien können als Chance und Herausforderung gleichermaßen betrachtet werden.

Einigkeit trotz Vielfalt: Trotz der Unterschiede in spezifischen Bereichen eint die Fachgesellschaften ein gemeinsames Ziel: die Sicherstellung einer flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Versorgung durch innovative Strategien, interdisziplinäre Zusammenarbeit und gezielte Nachwuchsarbeit. Dies kann durch koordinierte Maßnahmen im Gesundheitswesen gelingen, die von Politik, Bildungsinstitutionen und Fachgesellschaften gemeinsam entwickelt werden.

Optimale Patientenversorgung ist personalintensiv: Gibt es in Ihrem Fachbereich ausreichend Fachärzt:innen und Assistenzärzt:innen?

Österreichische Gesellschaft für ­Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO)

Die aktuelle Anzahl an Fach- und Assistenzärzt:innen ist für die derzeitige Versorgungssituation ausreichend und die Aufgaben sind unter dem Arbeitszeitgesetz erfüllbar. Die OeGHO hat aber bereits in der „Future-Demands-Studie“ einen Bedarf an zusätzlichen Ausbildungsstellen aufgezeigt. In den kommenden Jahren könnte eine Unterbesetzung drohen. Gegenmaßnahmen sind die verstärkte Rekrutierung junger Akademiker:innen, die Attraktivierung des Fachgebiets, Initiativen wie YHOGA (Young Hematologists and Oncologists Group Austria) sowie die Unterstützung durch spezialisierte Cancer Nurses. 

Österreichische Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO-ASSO)

Es muss zwischen onkologischer Chirurgie und dem Fach Viszeral- und Thoraxchirurgie unterschieden werden. Ein Facharzt / eine Fachärztin für chirurgische Onkologie konnte in Europa bisher nicht etabliert werden. Der Nachwuchsmangel in chirurgischen Disziplinen besteht seit über 20 Jahren und ist multifaktoriell, von der Studierendenauswahl bis hin zu Karrierechancen. Große Kliniken haben je nach Standort noch Zulauf, periphere Krankenanstalten kämpfen jedoch mit Personalengpässen. In Österreich wird die Versorgung außerhalb des Zentralraums zusehends schwieriger, weshalb gezielte Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung peripherer Standorte notwendig sind.

Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie – Austria (AGO Austria der OEGGG)

So wie in vielen anderen Fachbereichen zeigt sich auch in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein Mangel an Fachärzt:innen und Assistenzärzt:innen. Das Ausmaß wird sehr stark durch das Arbeitsumfeld beeinflusst: In Ballungszentren, an Standorten mit einer medizinischen Universität sowie an Standorten mit einer bekannt guten Facharztausbildung bzw. gutem Arbeitsklima können Stellen nach wie vor ausreichend nachbesetzt werden. An Standorten, die diese Vorteile nicht aufweisen, mangelt es bereits jetzt an entsprechendem Personal.

Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (AGPHO)

In der pädiatrischen Hämatologie und Onkologie gibt es in Österreich zwar einen Mangel an Fachärzt:innen, jedoch keinen an Assistenzärzt:innen, die das Modul im Rahmen der Pädiatrie-Ausbildung und die weitere Spezialisierung als Zusatzqualifikation absolvieren möchten. Dafür muss das Arbeitsumfeld attraktiv sein (gefordert: Krankenhausträger, Universitäten und Leitungspersonen), um ausgebildete Ärzt:innen für die Subspezialisierung im Spital zu halten. Zudem erfordert das komplexe Patientenmanagement ausreichend fachärztliches und nicht-ärztliches Personal (u.a. Administration, Pflege).

Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) 

Aktuell ja, allerdings ist die Situation an einzelnen Abteilungen durch Pensionierungen in den letzten Jahren schwieriger geworden.

Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH)

Derzeit schließen etwa 25-30 Ärzt:innen pro Jahr die Ausbildung im Sonderfach Gastroenterologie und Hepatologie ab. Das IHS hat den Status quo der gastro- enterologischen und hepatologischen Versorgung in Österreich erhoben. Das aktuelle Versorgungsangebot zeichnet sich regional durch eine große Heterogenität aus. Unterschiede zeigen sich zwischen urbanen Räumen und Peripherie, aber auch im Vergleich der Bundesländer. Hinsichtlich der Assistenzärzt:innen sehen wir insgesamt einen Rückgang der Bewerber:innen und beginnend an einzelnen Standorten einen Mangel. Urbane Regionen und universitäre Zentren sind weniger vom Mangel betroffen. Die ÖGGH versucht hier gezielt mit Nachwuchsförderung gegenzusteuern.

Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Theranostik (OGNT)

Die Nuklearmedizin wandelt sich seit zehn Jahren von einem diagnostischen zu einem diagnostisch-therapeutischen Fach, zusammengefasst als „Theranostik“. In der onkologischen PET/CT-Bildgebung steigt die Zahl der Untersuchungen jährlich um 5–10%. Fortschritte in PET/CT- und SPECT/CT-Technologien verkürzen die Aufnahmezeiten und erhöhen die Untersuchungsfrequenz. Die fachliche Erweiterung sowie die demografische Entwicklung (Alterung der Bevölkerung und Zunahme von Krebserkrankungen) schaffen trotz KI-Einsatz einen zusätzlichen Bedarf an Fach- und Assistenzärzt:innen in der Nuklearmedizin.

Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP)

Aufgrund der Änderung in der Ausbildung – Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin mit Pneumologie – ist die Besetzung von Ausbildungsstellen österreichweit derzeit zufriedenstellend. Es gab sicherlich eine gewisse Attraktivierung insbesondere für Ärzt:innen, die bereits eine allgemeininternistische Ausbildung haben und nun einen ergänzenden pneumologischen Schwerpunkt setzen wollen. Schwieriger scheint die Situation jedoch bezüglich pneumologischer Pflegekräfte zu sein. Immer wieder müssen aufgrund Personalmangels Betten an pneumologischen Abteilungen vorübergehend gesperrt oder reduziert werden.

Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGPath/IAP Austria)

Hier muss deutlich differenziert werden: Die Nachfrage junger Kolleg:innen nach Ausbildungsplätzen in der klinischen Pathologie und Molekularpathologie ist überraschend stark. Das Fach ist also deutlich interessanter geworden. Demgegenüber führen Teilzeitbeschäftigungen, fehlende Homeoffice-Optionen (digitale Pathologie steckt im Bereich der Krankenanstalten in Österreich im Unterschied zu Privatunternehmen noch in den Kinderschuhen), vor allem aber die Bezahlung (fehlende Nachtdienste!) dazu, dass viele nach der Grundausbildung von privaten Unternehmen abgeworben werden.

Österreichische Gesellschaft für Radioonkologie (ÖGRO)

Ein Mangel an Fach- und Ausbildungsärzt:innen besteht seit Jahren und hat zur Anerkennung als Mangelfach durch die ÖÄK geführt. Die ÖGRO hat daher ihre Bemühungen zur Stärkung der Personalressourcen und Nachwuchsgewinnung intensiviert. Nach Abschluss eines „Corporate Identity“-Projekts mit Reputationsanalyse der Fachgesellschaft und der Berufsbilder in der Radioonkologie zeigen die daraus abgeleiteten Maßnahmen (Stärkung der Young ÖGRO, Öffentlichkeitsarbeit, mehr Präsenz in der studentischen Lehre und 2024 die „Summer School Radioonkologie“) messbare Erfolge.

Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS)

Die Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS) ist eine interdisziplinäre Fachgesellschaft und daher mit den verschiedenen Herausforderungen der Disziplinen konfrontiert: Während lokaltherapeutische Bereiche wie Chirurgie, Gynäkologie und Strahlentherapie halbwegs abgesichert sind, zeigt sich eine Unterversorgung in der medizinischen Onkologie. Eklatant ist der Personalmangel in der Diagnostik (Radiologie, Pathologie), was oft den Therapiebeginn verzögert. Die Einführung von KI wird vorangetrieben, dürfte aber erst in einigen Jahren spürbare Verbesserungen bringen.

Österreichische Palliativgesellschaft (OPG)

Die Palliativmedizin ist ein Querschnittsfach mit Bezug zu allen klinischen Bereichen, in denen schwer kranke und sterbende Patient:innen betreut werden. Praktisch alle klinisch tätigen Kolleg:innen sind in palliative Betreuungssituationen eingebunden. Seit der Neuordnung des Ärzteausbildungsgesetzes können sich Ärzt:innen nach der Facharztausbildung in Palliativmedizin spezialisieren (18 Monate). Zudem besteht die Möglichkeit eines Ärztekammer-Diploms oder eines Universitätslehrgangs. Der Palliativlehrgang der Österreichischen Palliativgesellschaft ist gut gebucht und für 2024/2025 bereits ausgebucht.

Können Sie abschätzen, wie das Verhältnis beruflich aktiver Ärzt:innen in Relation zu anstehenden Pensionierungen ist? Sind personelle Lücken zu erwarten bzw. wie kritisch sehen Sie die Personalentwicklung für die nächsten 10 Jahre?

Österreichische Gesellschaft für ­Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO)

In der „Future-Demands-Studie“ sind solche Entwicklungen bereits berücksichtigt. Dabei wird einerseits deutlich, dass sich eine Lücke ergeben könnte. Andererseits sind die Herausforderungen der Zukunft im Besonderen aber in der epidemiologischen Entwicklung und durch die Zunahme der Fallzahlen begründet.

Österreichische Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO-ASSO)

Die Personalentwicklung wird vermutlich einen Rückgang an Weiterbildungsassistent:innen in der Chirurgie bringen. In Österreich gibt es derzeit ca. 2.020 Fachärzt:innen und 260 Ausbildungsassistent:innen für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Die demografische Entwicklung weist auf eine Überlastung der Versorgungsstrukturen in Kliniken hin, mit dadurch längeren OP-Wartezeiten. Nötig ist eine abgestufte Versorgung, wobei komplexe Fälle in Zentren behandelt werden. Rotationsprinzipien zwischen Kliniken sind erforderlich, um eine gesamtchirurgische Ausbildung der Assistent:innen zu gewährleisten.

Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie – Austria (AGO Austria der OEGGG)

Durch die Pensionierungen der „Babyboomer-Generation“ in den nächsten fünf bis zehn Jahren entsteht je nach Abteilungsstruktur ein Personalmangel von 20–40%. Dies stellt uns vor die Herausforderung, Personal nachzubesetzen und die Expertise an die nächsten Generationen weiterzugeben und auszubauen. Die Reduktion der Wochenarbeitszeit macht zudem eine hochwertige, effiziente Ausbildung essenziell. Dies erfordert ein Umdenken in den oft traditionellen Ausbildungsstrukturen, etwa durch Simulationstrainings für Notfälle, seltene klinische Szenarien und operative Ausbildungen als integralen Bestandteil.

Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (AGPHO)

Derzeit besteht aufgrund des Mangels an Fachärzt:innen sowie der rezent erfolgten bzw. anstehenden Pensionierungen sicher ein Missverhältnis zwischen beruflich aktiven Ärzt:innen und Pensionierungen. Dies führt zu einem kumulativen Verlust an Wissen und Expertise. Dennoch bleibt zu hoffen, dass mit der Finalisierung der Ausbildung der derzeitigen Assistenzärzt:innen die Lücke geschlossen werden kann, die momentan nur mit größtem, teils sehr persönlichem Einsatz zu kompensieren ist.

Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) 

Der erste Teil der Frage ist nicht konkret zu beantworten, dazu fehlt in unserem speziellen Bereich die Datengrundlage. Das gilt auch für den zweiten Teil der Frage: Auch hier ist aufgrund fehlender Daten eine exakte Antwort nicht möglich.

Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH)

Die IHS-Studie prognostiziert ein düsteres Bild für die Nachbesetzung pensionierter Kolleg:innen. Mit einer steigenden Nachfrage an gastroenterologischen Leistungen und der fehlenden Nachbesetzung der Pensionierungen zeigen die Modelle ein wachsendes Defizit, sowohl bei angestellten Ärzt:innen als auch im niedergelassenen Bereich. Der wachsende Frauenanteil in der Gastroenterologie ist eine positive Entwicklung, jedoch stellen Teilzeitbeschäftigungen eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Umsetzung des KA-AZG im intramuralen Bereich und der Nachwuchsmangel verschärfen die Lage weiter, was versorgungsrelevante Lücken erwarten lässt und Gegenmaßnahmen erfordert.

Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Theranostik (OGNT)

Die Nuklearmedizin steht vor einem Generationswechsel: In 5–10 Jahren gehen 10–20% der Fachärzt:innen in Pension. Da nuklearmedizinische Leistungen extramural kaum erstattet werden, erfolgen > 95% der Diagnostik und Therapie intramural, weshalb die meisten Fachärzt:innen in Krankenhäusern tätig sind. Von 64 Ausbildungsstellen (2023) sind nur 29 besetzt, da Spitäler oft nicht angemessen dotieren. Der großteils ambulante Betrieb ohne Nachtdienste und mit freien Wochenenden macht unser Fach besonders für Ärzt:innen mit betreuungspflichtigen Kindern attraktiv. Ohne Personalaufstockung drohen jedoch Engpässe und Versorgungseinschränkungen.

Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP)

Derzeit gibt es ausreichend pneumologischen Nachwuchs in der Klinik, wobei manche Ausbildungsstätten beliebter sind. Im Burgenland beispielsweise fehlt eine eigenständige pneumologische Fachabteilung. Auch im niedergelassenen Bereich gibt es nur wenige vakante Kassenplanstellen – gerade in Wien fand kürzlich ein „Generationenwechsel“ statt. Dennoch stellen „offene“ Kassenplanstellen eine Herausforderung dar, da sie nicht nur die Patient:innen belasten, sondern auch die Abwanderung von Fachärzt:innen aus der Klinik begünstigen. Große personelle Lücken sind in den nächsten Jahren jedoch nicht zu erwarten.

Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGPath/IAP Austria)

Wie oben ausgeführt, ist aufgrund der starken Fluktuationen eine Abschätzung der Personalsituation in zehn Jahren absolut unmöglich. Eines ist jedoch sicher: Wenn in diesem Fach nicht massiv neue Anreize (z.B. Befundung zu Hause durch digitale Pathologie, Unterstützung des Arbeitsablaufs durch neue Softwareprodukte, künstliche Intelligenz für einfache Aufgaben wie z.B. das Auszählen von angefärbten Zellen) angeboten werden können, so ist mit einer weiteren Verschärfung der personellen Situation zu rechnen.

Österreichische Gesellschaft für Radioonkologie (ÖGRO)

Das Verhältnis aktiver Ärzt:innen zu bevorstehenden Pensionierungen weist auf einen relativen Fachärztemangel in den kommenden Jahren hin. Um die Lücken zu schließen, müssten mehr Ausbildungsärzt:innen zugelassen werden, als es die aktuellen Stellenpläne bzw. Ausbildungsgenehmigungen erlauben. Der Bedarf an radioonkologischer Versorgung wird bis 2035 kontinuierlich steigen. Dieses Problem betrifft alle europäischen Länder, jedoch ist das Ausgangsniveau an technischen und personellen Ressourcen in der österreichischen Radioonkologie niedriger als in vielen Nachbarländern.

Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS)

Auch im Bereich der diagnostischen und klinischen Brustkrebsversorgung ist mit einer starken Pensionierungswelle zu rechnen, die den bereits bestehenden Personalmangel verstärken wird und eine adäquate Versorgung zusätzlich gefährdet. Onkologie und somit auch Brustkrebsversorgung erfolgt hauptsächlich im stationären Bereich und zentrumsbasiert, weswegen die deutlich wahrnehmbare Abwanderungstendenz vor allem der jüngeren Generation in den niedergelassenen Bereich dies noch verschärfen wird. Hier ist die Politik dringend gefordert, um die bereits stattgefundene Versorgungsqualitätsminderung zu stoppen.

Österreichische Palliativgesellschaft (OPG)

Im extramuralen Bereich zeigt sich bei Allgemeinmediziner:innen großes Interesse an Palliative Care, was die hohen Teilnehmerzahlen des Palliativlehrgangs der Österreichischen Palliativgesellschaft belegen. Auf Palliativstationen, in mobilen Palliativteams und Hospizen zeigt sich ein kritisches Bild: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Pension, Stellenausschreibungen bleiben oft unbeantwortet. Zudem erfordert die Spezialisierung in Palliative Care hohen persönlichen Einsatz und Resilienz, bietet jedoch im Vergleich zu anderen Professionen nur begrenzte Veränderungs- und Zuverdienstmöglichkeiten.

In allen Fächern ist eine Spezialisierung der Mitarbeiter:innen notwendig: Können in Ihrem Fachbereich die notwendigen Spezialisierungen nachhaltig über ganz Österreich angeboten werden oder besteht die Gefahr, dass es – z.B. durch das Fehlen von Karriereoptionen im Krankenhaus – in manchen Spezialisierungen zu einem Versorgungsmangel kommen könnte?

Österreichische Gesellschaft für ­Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO)

Die Versorgungsstruktur in der Hämatologie und medizinischen Onkologie ist in einem dreistufigen Modell im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) geregelt. Durch die sehr gute Kooperation aller Versorgungsanbieter ist nicht von einem Mangel in der Versorgung auszugehen. Karriereoptionen werden mit hoher Durchlässigkeit angeboten, hier sind auch Kooperationen zwischen den einzelnen Ausbildungsstätten realisiert und bereits gelebte Praxis.

Österreichische Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO-ASSO)

Spezialisierungen in den Kliniken müssen weiter gebündelt werden. Dies würde gerade auch im Bereich der onkologischen Chirurgie bedeuten, dass es für spezielle Tumorentitäten und Operationen Spezialzentren gibt. Die Anzahl dieser Spezialkliniken hängt natürlich von der Inzidenz der jeweiligen Erkrankung ab. Aus meiner Sicht wären für die Versorgung von großen onkologischen Eingriffen wenige Zentren in Österreich ausreichend. Ein Austausch der Ausbildungsassistent:innen zwischen den Häusern zur Generierung einer kompletten und komplexen Ausbildung wäre dann notwendig.

Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie – Austria (AGO Austria der OEGGG)

Spezialisierungen sind meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, höchste fachliche Expertise in einem bestimmten Fachbereich bei zunehmender Arbeitszeitverkürzung zu erlangen und zu gewährleisten. Das wird durch den internationalen Vergleich mit Ländern mit einer hohen Fachkompetenz vielfach belegt. Daher ist es der OEGGG und der AGO bereits seit vielen Jahren ein dringendes und nachhaltiges Anliegen, die entsprechenden Spezialisierungen so schnell wie möglich umzusetzen.

Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (AGPHO)

Die Spezialisierung in pädiatrischer Hämatologie und Onkologie erfolgt nur am St. Anna Kinderspital und an den Universitätskliniken. Karriereoptionen bestehen, jedoch beeinträchtigt der Mangel an spezialisierten Fachärzt:innen die Ausbildung. Vor allem das Engagement der Teams sichert die Versorgung. Zudem besteht berechtigte Hoffnung, dass eine neue Generation talentierter Fachärzt:innen mit den richtigen Karriereoptionen und Arbeitsbedingungen dies weiterhin auf höchstem Niveau umsetzen wird. Vernetzung ermöglicht derzeit eine exzellente Versorgung und innovative Therapien, erfordert langfristig jedoch gesundheitspolitische Unterstützung.

Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) 

Aktuell können die Spezialisierungen in allen großen Häusern angeboten werden und sind als Module auch in der Ausbildung entsprechend abgebildet.

Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH)

Die Gastroenterologie und Hepatologie ist ein breites, bedeutendes Fach für Vorsorge, Diagnostik und Therapie mit rasanten Entwicklungen und zunehmender Subspezialisierung. Die ÖGGH bietet daher zahlreiche Hands-on-Kurse z.B. in der Endoskopie und Fortbildungen in allen Teilgebieten an. Aktuell besteht eine regionale Heterogenität bei spezialisierten gastroenterologischen Leistungen und das Fachgebiet ist nicht im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) abgebildet. Die ÖGGH hat daher ein integriertes abgestuftes Versorgungsmodell mit Vorsorgemaßnahmen entwickelt, um eine strukturierte Versorgung mit Spezialisierungen sicherzustellen. Die Schaffung von zusätzlichen Karriereoptionen im Krankenhaus würde der Versorgungssicherheit hinsichtlich spezialisierter Leistungen dienen.

Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Theranostik (OGNT)

Durch die rasante Entwicklung in der nuklearmedizinischen Diagnostik und onkologischen Radioligandentherapie mit Alpha- und Betastrahlern ist eine erhöhte Nachfrage nach nuklearmedi­zinischen Leistungen zu erwarten, die zum Teil auch ambulant angeboten werden könnten. Dies erfordert den Ausbau intramural wie auch der nuklearmedizinischen Institute im extramuralen Bereich, inklusive Verträgen zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen, wie sie etwa in Deutschland existieren. Eine Verhandlung des von der OGNT seit 2020 vorgelegten Leistungskatalogs durch Ärztekammer und Hauptverband würde regionalen Versorgungsmängeln vorbeugen.

Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP)

Die Versorgung von Lungenkrebspatient:innen an pneumologischen Abteilungen ist österreichweit gut gegeben. So gibt es beispielsweise vier pneumologische Fachabteilungen, die als Lungenkrebszentren zertifiziert sind. Auch der Einschluss von Patient:innen in onkologische Studien ist in ganz Österreich möglich. Die Organisation von Tumorboards ist aber sehr heterogen und an regionale Gepflogenheiten angepasst (z.B. Verfügbarkeit von Radioonkologie und/oder Thoraxchirurgie). Auch virtuell abgehaltene Tumorboards erleichtern die flächendeckende interdisziplinäre Besprechung von Lungenkrebspatient:innen.

Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGPath/IAP Austria)

Die Spezialisierung in unserem Fach erfolgt überwiegend an universitären Einrichtungen und durch internationale Fortbildungen. Ein Versorgungsmangel könnte durch unzureichende Ausstattung peripherer Institute entstehen. Kritisch sind intraoperative Schnellschnittuntersuchungen. Die öfter forcierte „Telepathologie“ ist zu hinterfragen. Die Untersuchung von Operationsmaterial und die Bestimmung der Resektionsränder sind laut Ausbildungsordnung nur Fachärzt:innen der klinischen Pathologie und Molekularpathologie erlaubt. Die Kontrolle von Resektionsrändern durch Chirurg:innen selbst sehe ich kritisch und erachte eine Missachtung der Ausbildungsordnungen als kurzsichtig.

Österreichische Gesellschaft für Radioonkologie (ÖGRO)

Sofern der erwartbare Mangel an Fachärzt:innen in den nächsten Jahren nicht abgefangen wird, sind Einschränkungen bei der Patientenversorgung zu erwarten. Nicht nur in Form von Wartezeiten, sondern – mangels Personal- und Zeitressourcen – dann auch von potenziell fehlenden Möglichkeiten für spezialisierte Qualifikationen. Nachhaltig und sinnvoll für die Radioonkologie in Österreich wäre eine Stärkung der Karriereoptionen im Krankenhaus, um die erreichte hohe Qualität einer onkologischen Zentrumsmedizin aufrechtzuerhalten.

Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS)

Da im interdisziplinären Setting der ÖGS, die ja eine einzige, wenn auch die häufigste Tumorentität der Frau zum Thema hat, eine weitere Subspezialisierung nicht sinnvoll ist, trifft die Fragestellung nicht wirklich zu. Im Sinne einer nachhaltigen, qualitativ hochwertigen Versorgung aller Brustkrebspatient:innen ist es aber auch sinnvoll und notwendig, die seit 2016 durch EU-gesetzliche Vorgaben etablierten und bestehenden Brustgesundheitszentren weiter zu stärken – mit Ressourcen, vor allem aber personell –, um die Versorgungsqualität weiter sicherzustellen bzw. wieder auf den höchsten Stand zu bringen.

Österreichische Palliativgesellschaft (OPG)

Versorgungsmangel im spezialisierten Palliativbereich droht jedenfalls. In Deutschland (83 Mio. Einwohner) werden pro 1 Mio. Einwohner 100 Hospiz- und Palliativbetten gefordert. In Österreich (9 Mio. Einwohner) gibt es (Stand 2021) nur 351 Palliativ- und 129 Hospizbetten (Quelle: hospiz.at). Fachkräfte sollen breit ausgebildet sein, Palliative Care im Alltag anwenden und Patient:innen frühzeitig beraten. Spezialisierte Palliative Care bleibt somit gezielten Situationen vorbehalten. Dennoch besteht Bedarf an spezialisierten Palliativteams und Einrichtungen (Spezialisierungsstätten). Geweckt werden soll zudem Begeisterung für das Fach.