Vorwort der Herausgeber

Vor Ihnen liegt die vierte Ausgabe des Österreichischen Krebsreports. Seit seinem erstmaligen Erscheinen im Jahr 2021 ist der Krebsreport zu einer wichtigen Publikation geworden, die österreichischen Bürger:innen, Betroffenen und Entscheidungsträger:innen maßgebliche Fakten zum Thema Krebs in Österreich liefert. Auch in der aktuellen Ausgabe greifen wir wieder wichtige Themen auf und beleuchten diese von unterschiedlichen Seiten, präsentieren aber auch neue Fakten, die für die Krebsversorgung in Österreich relevant sind.

In den ersten drei Ausgaben des Krebsreports haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Zahl der Krebsneuerkrankungen (Inzidenz) und noch viel mehr jene der Krebserkrankten (Prävalenz) in Österreich über die nächsten Jahre und Jahrzehnte aufgrund der Demografie und medizinischer Fortschritte dramatisch steigen wird. Wir haben zuletzt auch darauf hingewiesen, dass es neue Strategien brauchen wird, um eine hochqualitative Versorgung von Krebspatient:innen in Österreich auch in Zukunft gewährleisten zu können, und haben als Beispiele die Etablierung von Cancer Nurses und die Digitalisierung genannt.

In der vorliegenden Ausgabe des Krebsreports haben wir nun zunächst den Schwerpunkt auf die psychosozialen Folgen von Krebs in Österreich gelegt, mit einem Fokus auf Betroffene im erwerbstätigen Alter. Gemeinsam mit der Statistik Austria präsentieren wir Ihnen im Beitrag  ab Seite 12 bislang noch nicht veröffentlichte Daten über die Anzahl an Erwerbstätigen, die in Österreich an Krebs erkranken, und liefern erstmals Daten über den Erwerbsverlauf dieser Menschen. Im Beitrag „Die soziale Dimension von Krebs“ (ab Seite 22) legen wir klar dar, dass die Diagnose Krebs trotz des vermeintlich „lückenlosen“ Sozialsystems in Österreich für Betroffene oft eine schwerwiegende finanzielle Belastung darstellt. Gleichzeitig werden auch die Schwierigkeiten der Berufstätigkeit während einer Krebserkrankung und die Herausforderungen des beruflichen Wiedereinstiegs beleuchtet. Diesbezüglich scheinen die Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich aus arbeitsmedizinischer Sicht dennoch relativ gut. Eine weitere schwerwiegende, aber oft nicht sichtbare Folge von Krebs, auf die wir in dieser Ausgabe neuerlich hinweisen möchten, sind psychische Belastungen, die selbst bei Geheilten als Rezidivangst oft jahrelang anhalten. Das häufige, aber oft diagnostisch und therapeutisch vernachlässigte Problem einer beeinträchtigten Sexualität kann zur Belastungsprobe oder sogar Zerstörung von Partnerschaften und damit ebenfalls zu einer enormen psychosozialen Belastung bei Krebspatient:innen werden. Im Beitrag ab Seite 28 weisen wir darauf hin, dass die Versorgungsstrukturen in Österreich dieses Problem aktuell nicht ausreichend berücksichtigen.
Ein weiterer Teil des heurigen Krebs­reports widmet sich gleich drei ­10-jährigen Jubiläen: Vor genau 
10 Jahren wurde das äußerst erfolgreiche „Don’t Smoke“-Volksbegehren initiiert, vor 10 Jahren wurde das innovative österreichische Brust-krebs-Früherkennungsprogramm „früh ­erkennen“ gestartet, und vor genau 10 Jahren wurde das Österreichische Krebsrahmenprogramm im Auftrag des Gesundheitsministeriums erstellt. Zeit also, auf diese drei Initiativen zurückzublicken. Die OeGHO wird sich in den kommenden Jahren in einer besonderen Veranstaltungsreihe, dem Österreichischen Onkologie Forum, einzelnen Aspekten des Krebsrahmenprogramms aus Sicht der klinisch tätigen Onkolog:innen ­widmen.

Nicht zuletzt möchten wir auf eine wichtige Premiere im heurigen Krebsreport hinweisen, die auch richtungsweisend für unsere weiteren Publikationen ist: So haben wir heuer erstmals die Zahlen des Österreichischen Krebsregisters mit anderen Datenquellen verknüpft. Wir konnten damit eine neue Datengrundlage schaffen, die jene Analysen erst ermöglicht hat, die wir im Kapitel „Epidemiologie“ präsentieren. Die Zahlen, die wir in diesem Krebsreport zu Krebs und Erwerbsarbeit pu­blizieren, waren zuvor für Österreich nicht bekannt, sind aber hochrelevant und angesichts der steigenden Zahlen Erkrankter in Zukunft noch wichtiger.
Auch im Rahmen der Beiträge zum Thema Screening präsentieren wir bislang nicht veröffentlichte Daten zum sogenannten „Stage Shift“ dieser Erkrankungen, also der Veränderung der Erkrankungsstadien zum Diagnosezeitpunkt in Österreich. Dies soll nur ein Anfang sein – zahlreiche weitere Analysen und neue Datenverknüpfungen sind notwendig und möglich, um genauer darzustellen, wie Krebserkrankungen in Österreich verteilt sind, wie Krebs den Lebenslauf von Menschen beeinflusst, welche psychosozialen Faktoren in Österreich dazu beitragen, das Krebsrisiko zu erhöhen, und welche etwaigen Ungleichheiten selbst in einem Land wie Österreich hinsichtlich des Risikos, Krebs zu bekommen und daran zu versterben, bestehen. Diese Art der Datenauswertung ist in anderen Ländern zum Teil bereits Standard, sodass Österreich hiermit beginnt, eine wichtige Informationslücke zu schließen.

Als Herausgeber des Krebsreports freuen wir uns, dass Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin Strasser-Weippl als neue medizinische Leiterin der OeGHO bestellt wurde und in dieser Position auch als wissenschaftliche Koordinatorin des Österreichischen Krebsreports fungiert. Wir danken Univ.-Prof. Armin Gerger für sein Engagement um den Österreichischen Krebsreport in den vergangenen Jahren und wünschen ihm alles Gute für seine neue Aufgabe.
Die enge Kooperation der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie 
& Medizinische Onkologie und der Österreichischen Krebshilfe mit der Statistik Austria und der Gesundheit Österreich GmbH im Rahmen des Krebsreports bildet die Grundlage für alle diese Fragestellungen und Analysen. Wir freuen uns, damit einen Beitrag zur optimalen Versorgung von Menschen mit Krebs in Österreich leisten zu können.


Mit besten Grüßen

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie

Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll
Präsident der Österreichischen 
Gesellschaft für Hämatologie & 
Medizinische Onkologie

Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
Präsident der Österreichischen Krebshilfe