Highlights der Hämatologie & Onkologie 2023/2024

Die hohe Intensität der Forschung im Bereich der Hämatologie & Onkologie hat auch im letzten Jahr zu wesentlichen Fortschritten für Krebspatient:innen mit unterschiedlichen Tumorerkrankungen geführt. Die Highlights dieser Verbesserungen – allein innerhalb des letzten Jahres – werden im Folgenden kurz zusammengefasst.

Die Fülle an Neuerungen veranschaulicht das hohe Tempo, mit dem die onkologische Forschung fortschreitet. Die Kürze des Berichts soll dabei keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass die hier dargestellten Fortschritte auf einer enormen weltweiten Forschungsanstrengung im präklinischen Bereich beruhen, auf Tausenden von Phase-I/II-Studien, die den erstmaligen Einsatz von neuen Krebsmedikamenten beim Menschen testen, und auf unzähligen großen, randomisierten Phase-III-Studien basieren, die letztlich zeigen konnten, dass eine neue Therapie einer alten überlegen ist. Allein im Jahr 2023 wurden weltweit über 2.000 klinische Studien mit innovativen Krebstherapien gestartet, die nicht nur klassische Medikamente beinhalten, sondern auch Zelltherapien, die spezifische Immunzellen („Killer“-Zellen) zur Abwehr von Krebs aktivieren, Gentherapien, die genetische Defekte als Ursache der Erkrankung beheben, Antikörper-Chemotherapie-Konjugate, sog. „magic bullets“, mit denen Chemotherapie gezielt in der Krebszelle freigesetzt wird, multispezifische Antikörper, die an der Krebszelle andocken und gleichzeitig Abwehrzellen des Immunsystems aktivieren, und nicht zuletzt neuartige Radioligandentherapien, die radioaktiv markierte Antikörper zur Krebsbekämpfung einsetzen.1 Diese Studien erfordern Zeit, einen hohen organisatorischen und administrativen Aufwand, großes Engagement der Forschenden, Investitionen der Öffentlichkeit und der Pharmaindustrie sowie die Bereitschaft von Patient:innen, sich auf klinische Forschung einzulassen und an Studien teilzunehmen. Es ist wesentlich, dass auch Österreich sich weiterhin intensiv in die präklinische und klinische Forschung einbringt, um Fortschritte zu erzielen und Medikamente möglichst früh für Patient:innen mit Krebs verfügbar zu machen.

Tumoren des Verdauungstraktes

Ösophaguskarzinom (Speiseröhrenkrebs)
Die ESOPEC-Studie konnte bei einer sehr aggressiven Tumorform, dem lokal fortgeschrittenen Adenokarzinom des Ösophagus (Speiseröhre), kürzlich sehr wichtige Ergebnisse erzielen: Wenn eine Operation zur Entfernung des Tumors der Speiseröhre geplant ist, dann verbessert eine vor und nach der Operation verabreichte Chemotherapie (perioperative Chemotherapie) das Überleben der betroffenen Patient:innen im Vergleich zur bisherigen Vorgehensweise, die darin bestand, vor der Operation eine Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie zu verabreichen (neoadjuvante Chemoradiotherapie). Mit dem neuen Protokoll der perioperativen Chemotherapie betrug das mediane Überleben der Patient:innen 66 Monate gegenüber 37 Monaten mit dem bisherigen Standard. Die ESOPEC-Studie hat große Bedeutung für die klinische Praxis, da sie helfen kann, den besten Behandlungsansatz für Patient:innen mit dieser aggressiven Krebsart zu bestimmen. Am Weltkongress für Onkologie in Chicago (ASCO 2024) wurde diese Studie als führendes Abstract ausgewählt.2

Magenkrebs
Bei einem weiteren sehr aggressiven Tumor mit limitierten Behandlungsmöglichkeiten, dem Magenkarzinom, zeigte die MATTERHORN-Studie, dass neue Immuntherapien (Checkpoint-Inhibitoren) wie Durvalumab, wenn sie zusätzlich zur Chemotherapie verabreicht werden, die Therapieergebnisse weiter verbessern können. Immun-Checkpoints schützen den gesunden Organismus vor einer überschießenden Immunreaktion. Tumorzellen hingegen nutzen solche Checkpoints, wie z.B. PD-L1 (Programmed Death Ligand 1), um das Immunsystem zu unterdrücken. Diese Entdeckung wurde im Jahr 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. In dieser weltweit geführten Studie waren nach Verabreichung der Kombinationstherapie (Immunchemotherapie) etwa dreimal so viele Patient:innen tumorfrei wie mit alleiniger Chemotherapie. Wenn das vollständige Verschwinden des Tumors in Form einer „pathologischen Komplettremission“ bei mehr Patient:innen auch das Überleben verbessert, wofür eine längere Nachbeobachtung notwendig ist, wird sich diese Immunchemotherapie in der untersuchten Indikation als ein neuer Standard in der Klinik etablieren.

Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs)
Blut vom Darm wird über das Pfortadersystem direkt zur Leber transportiert, die damit oft das primäre Organ für Metastasenbildung bei Darmkrebs ist. In der viel beachteten TRANSMET-Studie wurde erstmals mit hoher wissenschaftlicher Evidenz (prospektiv, randomisiert) untersucht, ob bei Darmkrebspatient:innen, die bereits an ausgedehnten Lebermetastasen leiden, die chirurgisch nicht mehr entfernt werden können, eine Lebertransplantation sinnvoll sein kann. Patient:innen dieser Studie waren sehr selektiv ausgewählt – außerhalb der Leber durften keine Metastasen vorliegen und der Gesundheitszustand musste stabil sein –, um rare Spenderorgane nur dort zu verwenden, wo die Chance auf ein langfristiges Überleben besteht. Im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie, die in solchen Fällen Standard ist, waren in der Gruppe mit zusätzlicher Transplantation nach fünf Jahren deutlich mehr Patient:innen am Leben, nämlich 57% gegenüber 13% der Patient:innen nach Standardvorgehen. Es besteht die Möglichkeit, dass mit dieser Studie als Initialzündung eine Lebertransplantation auch bei geeigneten Darmkrebspatient:innen mit Lebermetastasen in Zukunft zur Diskussion stehen wird. In Österreich wird derzeit an der Universitätsklinik Innsbruck eine ähnliche Studie durchgeführt.4 

Für Patient:innen mit Darmkrebs, deren Lebermetastasen weniger ausgedehnt, kleiner und damit prinzipiell operabel sind, wurde hingegen in einer anderen Studie – ebenfalls mit hoher wissenschaftlicher Evidenz – gezeigt, dass eine sogenannte Thermoablation, also das Verkochen der Metastasen über eine von außen zugeführte Sonde, zu gleich guten Ergebnissen führt wie die operative Entfernung der Metastasen, aber mit deutlich weniger Komplikationen verbunden ist. Damit könnten in Zukunft auch Darmkrebspatient:innen mit kleineren Metastasen von einer Maßnahme profitieren, die ähnlich gut wirkt wie der chirurgische Eingriff, aber weniger belastend ist.5

Für Patient:innen mit einer besonderen Form von Darmkrebs, der sich durch eine überproportional hohe genetische Instabilität auszeichnet (sog. Mikrosatelliten-instabile Tumoren), ist die Gabe einer alleinigen Immuntherapie in den letzten Jahren zum Standard geworden. Hohe genetische Instabilität führt zu neuen, durch Mutationen entstandenen Proteinen, die das Immunsystem als fremd identifiziert. So können mit Immuntherapien bessere Ergebnisse erzielt werden als mit Chemotherapie. Untermauert wurden diese rezent gewonnenen Erkenntnisse durch die Ergebnisse der CheckMate-8HW-Studie, die zeigt, dass eine duale Immuntherapie mit zwei Checkpoint-Inhibitoren, nämlich Nivolumab und Ipilimumab, im Vergleich zu einer Standard-Chemotherapie zu einer 80%igen Verbesserung des progressionsfreien Überlebens führt. Dass diese Ergebnisse bei einer zwar weniger häufigen, aber doch schwerwiegenden, auf Chemotherapie schlecht ansprechenden Tumorerkrankung durchschlagend sind, zeigt sich auch daran, dass nach zwei Jahren mehr als zwei Drittel (72%) der Patient:innen unter Immuntherapie keine Tumorprogression erlitten, während der gleiche Erfolg ohne Immuntherapie nur bei 14% der Patient:innen möglich war.6

Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)

Beim Lungenkrebs wurden in den letzten Jahren durch zielgerichtete Therapien – „targeted therapies“, die sich gegen tumortreibende Eigenschaften der Krebszelle richten – bereits sehr große Fortschritte erzielt, die zuletzt noch erweitert wurden. In der LAURA-Studie wurde die Substanz Osimertinib untersucht. Es handelt sich um einen Tyrosinkinasehemmer (TKI) gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR), der in der Krebszelle in mutierter Form vorliegt, daher dauerhaft aktiviert ist und auf diese Weise unkontrolliertes Zellwachstum und verstärkte Zellproliferation (Metastasierung) auslöst. Osimertinib ist beim metastasierten „EGFR-mutierten“ Lungenkrebs bereits in breitem klinischem Einsatz. In der aktuellen Studie wurde die Sub­stanz bei Patient:innen mit nicht-operablen Tumoren im Stadium III mit EGFR-Mutation verabreicht, und zwar im Anschluss an eine Standardtherapie (Chemoradiotherapie). Die hohe Wirksamkeit der als Tablette verfügbaren Substanz bestätigte sich auch für diese Patientengruppe, bei der das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung (Progression) oder des Todes um 84% im Vergleich zu Placebo verringert werden konnte. Dies sind Ergebnisse, die in dieser Deutlichkeit mit konventionellen Therapien wie Chemotherapie oder Strahlentherapie alleine nicht hätten erzielt werden können. Sie verdeutlichen in eindrucksvoller Weise, dass der Fortschritt durch neue molekularbiologische Erkenntnisse in der Klinik ankommt.7

Auch bei einer weiteren Form von Lungenkrebs, dem kleinzelligen Bronchialkarzinom, das bislang mit nur geringen Erfolgen eine immer noch schlechte Prognose hat, wurden zuletzt wesentliche Fortschritte erzielt: In der globalen Phase-III-Studie ADRIATIC etwa zeigte sich im Frühstadium der Erkrankung (beschränkt auf eine Lungenhälfte mit angrenzenden Lymphknoten) nach Beendigung der Chemo- und Strahlentherapie, dass die anschließende Gabe einer Immuntherapie, des Checkpoint-Inhibitors Durvalumab, über die Dauer von zwei Jahren das Überleben deutlich verbessert. So betrug die mediane Gesamtüberlebenszeit für Patient:innen, die Durvalumab erhielten, etwa 56 Monate, verglichen mit 33 Monaten in der Placebo-Gruppe. Dies entspricht einer 27%igen Reduktion des Sterberisikos.8

Urothelkarzinom (Blasenkrebs)

Ein Highlight des letzten Jahres waren die Ergebnisse der KEYNOTE-A39-Studie bei Patient:innen mit fortgeschrittenem Blasenkrebs. Hierbei handelt es sich um eine Indikation, für die lange Zeit nur sehr belastende Chemotherapie-Protokolle verfügbar waren. In der aktuellen Studie konnte durch eine neue Therapiekombination, bestehend aus einem der „magic bullets“, dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Enfortumab Vedotin, und der Immuntherapie Pembrolizumab, ein doppelt so langes Überleben wie mit klassischer Chemotherapie erreicht werden. Der Erfolg dieses neuen Therapiekonzepts hat bereits zu einer Anpassung der europäischen Therapieleitlinien geführt.9

Gynäkologische Tumoren

Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs)
Folat ist ein essenzielles Vitamin (Vitamin B9), das insbesondere für die DNA-Synthese und die Zellteilung benötigt wird. Interessanterweise ist einer der Rezeptoren für Folat (Folatrezeptor-alpha) insbesondere beim Ovarialkarzinom in hoher Konzentration auf Tumorzellen vorhanden, während gesunde Gewebe diesen nur wenig exprimieren. Damit wurde der Rezeptor als Zielstruktur für ein neues Präparat genutzt, nämlich das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Mirve­tuximab Soravtansin. Nach der Bindung an den Folatrezeptor wird das Konjugat in die Krebszelle aufgenommen und das Zytostatikum Soravtansin freigesetzt. Gesunde Zellen bleiben dadurch weitgehend verschont. Auf dieser Grundlage wurde eine Studie für Patientinnen mit Eierstockkrebs gestartet, bei denen eine Standard-Chemotherapie keine Wirkung mehr hatte. Die Studie kann als bahnbrechend bezeichnet werden, nachdem mit dem neuen Wirkprinzip bei besserer Verträglichkeit als mit Chemotherapie das Überleben der Patientinnen signifikant verlängert wurde.10

Wesentlich sind für Patientinnen mit Ovarialkarzinom auch die Ergebnisse der CARACO-Studie. Die Studie erfolgte vor dem Hintergrund, dass bislang bei fortgeschrittener Tumorerkrankung während einer Operation auch prophylaktisch die umgebenden Lymphknoten entfernt wurden in der Annahme, damit zusätzlich die Ausbreitung des Tumors zu verhindern. In der aktuellen Studie wurde nunmehr berichtet, dass es bei Patientinnen mit unverdächtigen Lymphknoten in der Computertomografie nicht mehr notwendig ist, im Rahmen der Operation eine ausgedehnte Lymphknotenentfernung durchzuführen: Der Eingriff führte zu deutlich mehr postoperativen Komplikationen, aber zu keiner Verbesserung des Überlebens.11

Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs)
Beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs) wurde in der SIENDO-Studie über sehr vielversprechende Verbesserungen des progressionsfreien Überlebens – also jener Zeit, in der Patientinnen ohne Fortschreiten des Tumors am Leben sind – durch die Behandlung mit Selinexor berichtet. Der Wirkstoff ist als Tablette verfügbar und relativ neu, die Erstzulassung erfolgte 2019 in den USA beim multiplen Myelom. Selinexor blockiert den Export, also das Ausschleusen tumorunterdrückender Proteine (Exportin-1) aus dem Zellkern, sodass Hemmstoffe des Tumors im Zellkern weiterhin wirken können. Die Therapie ist ebenfalls ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung neuer Erkenntnisse über Mechanismen der Tumorerkrankung auf molekularbiologischer Ebene. In der Studie wurde die Therapie bei infrage kommenden Patientinnen im Anschluss an eine Chemotherapie verabreicht und war dabei so wirksam, dass das mediane progressionsfreie Überleben von 5,2 auf 28,4 Monate verlängert werden konnte.12

Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs)
Wie an anderer Stelle in diesem Krebsreport bereits berichtet, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2021 die Zielvorgabe ausgesprochen, Gebärmutterhalskrebs, das Zervixkarzinom, mit HPV-Impfung und Screening bis zum Jahr 2030 weltweit zu eliminieren. Hintergrund ist, dass sich praktisch alle Zervixkarzinome im Rahmen einer HPV-Infektion entwickeln und heute vermeidbar wären. Wenn dennoch Gebärmutterhalskrebs auftritt, so ist die Prognose in frühen Stadien (I, II) noch überwiegend gut, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 80–95%. In höheren Tumorstadien (III, IV) wird die Prognose zunehmend schlechter. Die 5-Jahres-Überlebensrate sinkt auf etwa 15–20%. 

Nun sind neue Therapien verfügbar, insbesondere kann die Immuntherapie mit Pembrolizumab für eine bestimmte Gruppe von Patientinnen in höheren Tumorstadien (mit metastasierter Erkrankung) sehr effektiv sein. Zusätzlich zeigte nun die KEYNOTE-A18-Studie, dass eine Immuntherapie bereits im frühen Stadium, nämlich bei neu diagnostizierter Erkrankung mit hohem Risiko für ein Wiederauftreten des Tumors (Rezidiv), eingesetzt werden sollte. Nach zwei Jahren blieben dadurch 68% der Patient:innen im Vergleich zu 57% im Vergleichsarm ohne Fortschreiten des Tumors. Bei allen Bemühungen zeigt das Beispiel aber auch, dass selbst die innovativsten Therapien Vorsorge und Screening nicht ersetzen können.13

Mammakarzinom (Brustkrebs)

HER2 (Human Epidermal Growth Factor Receptor 2) ist ein Protein auf der Oberfläche von Zellen. Bei etwa 15–20% der Brustkrebspatientinnen ist das HER2-Gen überexprimiert, wodurch in der Folge das Tumorwachstum beschleunigt wird und der Tumor eine aggressivere Ausbreitung erfährt. Bahnbrechende Entwicklungen zielgerichteter Therapien haben mit dem HER2-Antikörper Trastuzumab Anfang der 2000er-Jahre begonnen und zeichnen sich bis heute durch eine Weiterentwicklung dieser Therapieform aus. Das derzeit innovativste Produkt ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, nämlich Trastuzumab Deruxtecan, das neuen Daten zufolge bei einer noch größeren Gruppe von Patientinnen wirksam ist, nämlich selbst bei Brustkrebspatient:innen mit nur geringer („ultralow“) Expression des tumortreibenden Proteins HER2. Trastuzumab Deruxtecan sollte bei vielen dieser Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung einer Chemotherapie vorgezogen werden.14

Für zwei weitere innovative Substanzen, nämlich Datopotamab Deruxtecan, ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das über einen speziellen Rezeptor (TROP2) gezielt in Tumorzellen zur Wirkung kommt, und Inavolisib, ein Tyrosinkinasehemmer, der auf die mutierte Form eines Tumorwachstum-fördernden Enzyms abzielt, wurde gezeigt, dass ihr Einsatz in unterschiedlichen Therapiesituationen im Vergleich zum bisherigen Standard zu einer weiteren Verbesserung jener Zeit führt, in der Patient:innen ohne Fortschreiten der Erkrankung progressionsfrei überleben.15,16,17 

Maligne hämatologische Erkrankungen (Blut- und Lymphdrüsenkrebs)

Hodgkin-Lymphom
Das Hodgkin-Lymphom ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems, an dem laut Österreichischem Krebsregister jährlich etwa 200–250 Personen neu erkranken. Die Deutsche Hodgkin-Studiengruppe (GHSG) ist in dieser Indikation eine der führenden Studiengruppen weltweit. Große klinische Studien werden auch in Kooperation mit österreichischen Zentren durchgeführt, insbesondere im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft medikamentöse Tumortherapie (AGMT) Bei Patient:innen mit Hodgkin-Lymphom in fortgeschrittenen Stadien hat sich Anfang der 2000er-Jahre ein Therapiekonzept, das mehrere unterschiedliche Zytostatika in zum Teil hoher Dosierung enthält, als wirksamste Maßnahme etabliert, um das Risiko eines Rückfalls zu verringern und die Heilungschancen bei aggressiver Erkrankung zu verbessern. Das intensive Therapieregime ist allerdings auch belastend. Vor diesem Hintergrund wurde rezent eine Studie der GHSG unter Mitwirkung der AGMT hochrangig publiziert. Die Studie zeigt, dass mit der Aussparung wenig verträglicher, toxischer Substanzen und dafür der Hinzunahme eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugats, nämlich Brentuximab Vedotin, eine Therapie möglich ist, die zumindest gleich gut wirkt und dabei deutlich besser verträglich ist als der bisherige Standard. Zusätzlich wird, wie ganz aktuell gezeigt wurde, mit dem neuen Regime auch das progressionsfreie Überleben nach vier Jahren deutlich verbessert (von 90,9% auf nunmehr 94,3%), womit diese Therapie zum neuen Standard wird.18

Multiples Myelom
Die effektivste Maßnahme bei Patient:innen mit multiplem Myelom ist eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation, wofür Patient:innen allerdings fit genug sein müssen. Die Therapieform wurde in den 1990er-Jahren etabliert und gilt heute als Standard bei neu diagnostizierten jüngeren Patient:innen. Anfang der 2000er-Jahre wurden, beginnend mit dem Proteasomenhemmer Bortezomib, gefolgt vom Immunmodulator Lenalidomid, sukzessive neue Substanzen mit neuen Wirkmechanismen zugelassen. Diese können die Effektivität der Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgender Stammzelltransplantation weiter steigern bzw. insgesamt neue Therapielinien eröffnen und damit auch das Überleben jener Patient:innen verlängern, die für eine Hochdosis-Chemotherapie nicht fit genug sind. Abhängig vom Zeitpunkt der Behandlung und den spezifischen Therapieregimen kann heute bei bis zu einem Drittel der Myelompatient:innen eine „funktionale Heilung“ erzielt werden, das heißt, dass die Krankheit so weit unter Kon­trolle gebracht wird, dass sie langfristig nicht mehr nachweisbar ist und auch keine Symptome verursacht. Eine dieser neuen Substanzen ist der im Jahr 2020 zugelassene Antikörper Isatuximab. Rezent wurde damit eine Studie (IMROZ) bei Myelompatient:innen durchgeführt, die für eine Stammzelltransplantation nicht fit genug waren. Die Zugabe des Antikörpers zu einer Standardtherapie führte dazu, dass nach fünf Jahren rund 63% dieser Patient:innen ohne Fortschreiten des Tumors progressionsfrei blieben, während dies nur bei rund 45% der Patient:innen im Vergleichsarm ohne Isatuximab der Fall war. In einer späteren Therapielinie wurde des Weiteren berichtet, dass der Einsatz des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Belantamab Mafodotin das Risiko für Progression und Tod im Vergleich zum bisherigen Therapiestandard fast halbierte.19

Akute myeloische Leukämie
Für Patient:innen mit akuter myeloischer Leukämie, die nicht mit einer intensiven Chemotherapie behandelt werden können, stehen alternativ Zytostatika wie Azacitidin (als Tablette) oder Decitabin (als Infusion) zur Verfügung. Wenn letztere weniger intensive Therapie als Infusion verabreicht werden muss, erfordert dies in der Regel den Weg ins Krankenhaus und zahlreiche Spitalsaufenthalte, da die Therapie wiederholt verabreicht werden muss. Decitabin konnte bislang nicht in Tablettenform verabreicht werden, da es im Gastrointestinaltrakt abgebaut wird. Dies kann durch Zugabe von Cedazuridin gehemmt werden. So wurde zuletzt in der ASCERTAIN-Studie nachgewiesen, dass die Therapie rein in Tablettenform, bestehend aus Cedazuridin und Decitabin, bioäquivalent zum intravenös verabreichten Decitabin ist. Die neue, für Patient:innen einfachere Verabreichungsform wurde mittlerweile auch schon zugelassen.20

Aggressive Lymphome
Das Mantelzell-Lymphom ist ein zwar seltener, aber aggressiver Lymphom-Subtyp. Abseits der Stammzelltransplantation haben sich in der letzten Dekade Substanzen mit neuen Wirkmechanismen auch in dieser Indikation etablieren können, darunter sogenannte BTK-Inhibitoren. Diese Substanzklasse, die in den B-Zell-Rezeptor-Signalweg eingreift, hat sich mit Vertretern wie Ibrutinib (2013), Acalabrutinib (2017) oder Zanubrutinib (2019/2021) bei der Behandlung von B-Zell-Neoplasien als hochwirksam erwiesen, u.a. auch beim Mantelzell-Lymphom (MCL) oder der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). Dies hat bereits zu einer Adaptierung bestehender Leitlinien bei MCL und CLL geführt. Zuletzt konnte mit einem gut verträglichen BTK-Inhibitor der zweiten Generation (Acalabrutinib), der zusätzlich zu einer etablierten Chemoimmuntherapie „der ersten Stunde“ (Rituximab, Bendamustin) bei älteren Patient:innen verabreicht wurde, eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse erzielt werden – mit bereits ersten Hinweisen auf eine Verlängerung der Überlebenszeit gegenüber alleiniger Chemoimmuntherapie.21

Bei aggressiven Lymphomen wurden nicht zuletzt aktuelle Daten zu einer der vielversprechendsten neuen Therapieformen in der Hämatologie und Onkologie publiziert, der CAR-T-Zell-Therapie. Dieser Therapie wird als Besonderheit, ähnlich wie der Stammzelltransplantation, kuratives Potenzial zugeschrieben. Das heißt, es können z.B. Patient:innen mit aggressiven Lymphomerkrankungen aus schwierigen Situationen heraus Langzeitheilung erfahren. Das Grundprinzip besteht darin, körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) durch genetische Modifikation gegen den Tumor scharf zu machen. Es handelt sich bislang um eine einmal verabreichte Infusion, die allerdings eine aufwendige und exakt geplante Vorbereitung und Nachbeobachtung erfordert. Zur bestmöglichen Implementierung dieser innovativen Therapieform in Österreich wurde das Österreichische CAR-T-Zell-Netzwerk gegründet. Bei einer aggressiven Lymphom-Variante wie dem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist die CAR-T-Zell-Therapie bereits im frühen Rezidiv etabliert. Aktuell zeigt eine Phase-II-Studie bei besonders ungünstigen DLBCL-Hochrisikovarianten eine langjährige Stabilisierung der Erkrankung, wenn die CAR-T-Zell-Therapie – wie in dieser Studie erstmals – bereits von Beginn an verabreicht wird. Eine solche Studie zum frühen Einsatz der Therapie, allerdings im Format einer Phase-III-Zulassungsstudie (ZUMA-23), läuft auch in Österreich, und zwar an den Zentren in Innsbruck, Salzburg, St. Pölten und Wien. Auch für die Richter-Transformation, eine gefürchtete Komplikation der chronischen lymphatischen Leukämie, die mit konventionellen Therapien nicht mehr in den Griff zu bekommen ist, ebenso wie bei ZNS-Lymphomen, einer schwerwiegenden Lymphomerkrankung des Gehirns, konnte zuletzt gezeigt werden, dass CAR-T-Zell-Therapien wirksam sind.22


Kathrin Strasser-Weippl,
Gerhard Kahlhammer

 

1 Iqvia Institute Report. Global Oncology Trends 2024: Outlook to 2028. Published online at: https://www.iqvia.co/insights/the-iqvia-institute/reports-and-publications/reports/global-oncology-trends-2024. May 28, 2024. 
2 Hoeppner J et al. ESOPEC: prospective randomized controlled multicenter phase III trial comparing perioperative chemotherapy (FLOT protocol) to neoadjuvant chemoradiation (CROSS protocol) inpatients with adenocarcinoma of the esophagus (NCT02509286). J Clin Oncol 2024, June 10, (ASCO Ann Meeting II); 42 (17_suppl): LBA1.
3 Oh DY. abstract 1290: Pathological complete response (pCR) to durvalumab plus 5-fluorouracil, leucovorin, oxaliplatin and docetaxel (FLOT) in resectable gastric cancer and gastroesophageal junction cancer (GC/GEJC): interim results of the global, phase III Matterhorn study. Ann Oncol 2023; 34 (Iss.S4): S1520-S1521. 
4 Adam R. Liver transplantation plus chemotherapy versus chemotherapy alone in patients with permanently unresectable colorectal liver metastases (TransMet): results from a multi-center, open-label, prospective, randomised controlled trial. Lancet 2024;  404(10458):1107-1118. 
5 Meijerink MR et al. Surgery versus thermal ablation for small-size colorectal liver metastases (COLLISION): An international, multicenter, phase III randomized controlled trial. J Clin Oncol 2024, June 10 (ASCO Ann Meeting II); 42 (17_suppl): LBA3501.
6 Andre T et al. Nivolumab plus Ipilimumab in microsatellite-instability-high metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2024; 391:2014-2026.
7 Lu S et al. Osimertinib after chemoradiotherapy in stage III EGFR-mutated NSCLC. N Engl J Med 2024 Jun; 391:585-597.
8 Cheng Y et al. Durvalumab after chemoradiotherapy in limited-stage small-cell lung cancer. N Engl J Med 2024 Sep; 391: 1313-1327. 
9 Powles T et al. Enfortumab vedotin and pembrolizumab in untreated advanced urothelial cancer. N Engl J Med 2024 Mar; 390: 875-888.
10 Secord AA et al. The Efficacy and safety of mirvetuximab soravtansine in FRα-positive, third-line and later, recurrent platinum-sensitive ovarian cancer: The single-arm Phase 2 PICCOLO Trial. Annals of Oncology (2024) Nov. in press, doi: https://doi.org/10.1016/j.annonc.2024.11.011. 
11 Classe JM et al. Omission of lymphadenectomy in patients with advanced epithelial ovarian cancer treated with primary or interval cytoreductive surgery after neoadjuvant chemotherapy: The CARACO phase III  randomized trial. J Clin Oncol 2024 Jun; 42 (17_suppl): LBA5505.
12 Makker V et al. Long-term follow-up of efficacy and safety of selinexor maintenance treatment in patients with TP53wt advanced or recurrent endometrial cancer: A subgroup analysis of the ENGOT-EN5/GOG-3055/SIENDO study. Gynecol Oncol 2024; 185: 202-211.
13 Lorusso D et al. Pembrolizumab plus chemoradiotherapy for high-risk locally advanced cervical cancer: A randomized, doubleblind, phase III ENGOT-cx11/GOG-3047/KEYNOTE-A18 study. Ann Oncol 2023 Oct; 34 (Suppl 2): S1279-S1280.
14 Cortés J et al. Trastuzumab deruxtecan versus trastuzumab emtansine in HER2-positive metastatic breast cancer: long-term survival analysis of the DESTINY-Breast03 trial. Nat Med 2024 Aug; 30(8):2208-2215. 
15 Bardia A et al. Datopotamab Deruxtecan in advanced or metastatic HR1/HER2– and triple-negative breast cancer: Results from the phase I TROPION-PanTumor01 study. J Clin Oncol 2024 Jul 1; 42(19): 2281-2294.
16 Schmid P et al. Datopotamab deruxtecan (Dato-DXd) + durvalumab (D) as first-line (1L) treatment for unresectable locally advanced/metastatic triple-negative breast cancer (a/mTNBC): Updated results from BEGONIA, a phase Ib/II study. Ann Oncol 2023 Oct; 34(suppl2): S337 (abstr 379MO).
17 Turner NC et al. Inavolisib-Based Therapy in PIK3CA-Mutated Advanced Breast Cancer. N Engl J Med 2024 Oct;391(17):1584-1596. 
18 Borchmann P. Assessing the efficacy and tolerability of PET-guided BrECADD versus eBEACOPP in advanced-stage, classical Hodgkin lymphoma (HD21): a randomised, multicentre, parallel, open-label, phase 3 trial. Lancet 2024 Jul 27; 404 (10450):341-352. 
19 Facon T et al. Isatuximab, bortezomib, lenalidomide, and dexamethasone for multiple myeloma. N Engl J Med 2024 Oct 31;391(17):1597-1609.
20 Garcia-Manero G et al. Oral decitabine–cedazuridine versus intravenous decitabine for myelodysplastic syndromes and chronic myelomonocytic leukaemia (ASCERTAIN): a registrational, randomised, crossover, pharmacokinetics, phase 3 study. Lancet Haematol 2024 Jan; 11(1):E15-E26.
21 Ghia P et al. Acalabrutinib Versus Investigator’s Choice in Relapsed/Refractory Chronic Lymphocytic Leukemia: Final ASCEND Trial Results. Hemasphere 2022 Nov 14; 6(12): e801.
22 Westin J et al. ZUMA-23: A global, phase 3, randomized controlled study of axicabtagene ciloleucel versus standard of care as first-line therapy in patients with high-risk large B-cell lymphoma. J Clin Oncol 2023 May (ASCO I); 41(suppl.16): abstr. TPS7578.