Nationale Versorgungsstrukturen und Rahmenplanungen der Onkologie

Im ersten Krebsreport werden einleitend die nationalen Versorgungsstrukturen und die Rahmenplanungen der Onkologie dargestellt, obwohl der Redaktion bewusst ist, dass diese vielen LeserInnen bereits bekannt sind.

Allgemeine Grundsätze

Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG), dem zentralen Planungsinstrument für die integrative Versorgungsplanung in Österreich, sind die Grundsätze für die onkologische Versorgung im Kapitel 3.2.3.9 festgelegt, wobei davon alle Einrichtungen und personellen Ressourcen umfasst sind, die für die gesamte Behandlungskette von der Früherkennung, Diagnostik, Therapie bis zur nachsorgenden Betreuung von PatientInnen mit bösartigen Tumoren und bösartigen hämatologischen Erkrankungen notwendig sind.

Das Versorgungsmodell umfasst die unterschiedlichen Versorgungsstufen sowie Module. Im onkologischen Zentrum (ONKZ), das primär an Zentralkrankenanstalten eingerichtet ist, wird das gesamte Spektrum der Onkologie inkl. Forschung und Lehre angeboten. Ein onkologischer Schwerpunkt (ONKS) ist an Schwerpunkt-Krankenanstalten eingerichtet und bietet ein breites Fächerspektrum an. Die assoziierte onkologische Versorgung (ONKA) sowie die ambulante Versorgung extramural bieten wohnortnahe Versorgung in enger Kooperation mit einem ONKS oder ONKZ.

Module in der onkologischen Versorgung decken spezifische und zum Teil hochspezialisierte Bereiche ab, die in der Regel in einem ONKZ bzw. ONKS angeboten werden: Brustkrebsversorgung, Spezialzentrum für neuroonkologische Erkrankungen (NONKZ), onkologische Versorgung von Kindern und Jugendlichen (KJONK) und Stammzelltransplantation (SZT).

Ein zentraler Punkt der spezifischen ­Qualitätskriterien für die gesamte onkologische Versorgung ist die Einrichtung von interdisziplinären Tumorboards zur Beratung und gemeinsamen Festlegung einer Behandlungsempfehlung für individuelle PatientInnen mit einer Krebserkrankung. Personalanwesenheiten sowie Ausstattungsmerkmale sind jeweils für die unterschiedlichen Versorgungsstufen festgelegt.

Überblick über die onkologische Versorgung und Auswirkung der COVID-19-Pandemie

Die onkologische Therapie findet im Wesentlichen in Krankenanstalten statt und umfasst die Bereiche medikamentöse Tumortherapie, operative Therapie sowie Strahlentherapie. Mit der Einführung der LKF1-ambulant im Jahr 2019 wurde ein großer Teil der medikamentösen Tumortherapie vom stationär-tagesklinischen Bereich in den spitals­ambulanten Bereich verlagert. Auch die Strahlentherapie findet zum überwiegenden Teil ambulant statt.

Die Zeitreihen dieser beiden Behandlungsbereiche sind in den Auswertungen auf die Jahre 2017 bis 2020 beschränkt, da aus den Vorjahren keine ambulanten Daten vorliegen und die Jahre somit nicht vergleichbar wären. Die Auswertungen zur medikamentösen Tumortherapie und Strahlentherapie umfassen stationäre und spitalsambulante Daten auf Basis der Diagnosen- und Leistungsdokumentation. Für die Analyse der onkologischen Operationen wurden nur stationäre Daten herangezogen, da im ­ambulanten Bereich die Diagnosendokumentation noch nicht verpflichtend ist (Einschränkung der Operationsaufenthalte auf solche, die eine Hauptdiagnose „Krebs“ hatten) und davon auszugehen ist, dass ggf. ambulant durchgeführte Eingriffe/Operationen zahlenmäßig zu vernachlässigen sind.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Anzahl der PatientInnen mit einer Krebserkrankung (unabhängig vom Jahr der Diagnosestellung), die mindestens einen Aufenthalt oder ambulanten Besuch mit einer Leistung aus mindestens einem der drei onkologischen Haupttherapiebereiche hatten, wobei oben die Absolutzahlen und unten indexierte Werte (Wert von 2017 auf 100 % gesetzt) angeführt sind.

Bei den onkologischen Operationen ist die Auswirkung der COVID-19-Pandemie besonders ausgeprägt. Hier kam es zu einem deutlichen Rückgang von 2019 auf 2020 (vgl. Abb. 1 und Abb. 7).
 
Eine Auswertung zu Brustkrebsoperationen über die Monate zeigt, dass dieser Rückgang in den Monaten Mai und Juni 2020 besonders ausgeprägt war. Während des ersten Lockdowns in Österreich von Mitte März bis Anfang Mai wurden kaum Mammographien im Rahmen des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms durchgeführt. Durch die fehlende Detektion von Brustkrebs gingen daher auch die Brustkrebsoperationen mit einem Monat Verzögerung zurück. Diese Auswirkung des Lockdowns wurde auch in einer Pressekonferenz des Gesundheitsministeriums zusammen mit der GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) im August 2020 kommuniziert und die Daten publiziert3. In der zweiten Pandemie-Welle ab Oktober/November 2020 wurden daher Screening-Untersuchungen weiterhin durchgeführt, weshalb auch keine Veränderung der Fallzahlen verglichen mit den Vorjahren festgestellt werden konnte.

Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der stationären Aufenthalte mit Brustkrebsoperationen nach Monaten für die Jahre 2018–20204. Im Bereich der medikamentösen Tumortherapie ist ein kontinuierlicher Anstieg der Patientenzahlen zu verzeichnen, der auch 2020 – etwas abgeschwächt – weiter anhält (vgl. Abb. 1). Bei einer Detailanalyse ist der stärkste Anstieg in der Gruppe der monoklonalen Antikörper zu verzeichnen, der geringste bei den Chemotherapien. Monoklonale Antikörper sind innovative zielgerichtete medikamentöse Tumortherapien, die entweder alleine oder in Kombination mit Chemotherapien verabreicht werden.

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Anzahl der PatientInnen, die mindestens einen stationären Aufenthalt oder ambulanten Besuch mit einer Leistung aus einem der drei ausgewählten Bereiche der medikamentösen Tumortherapie (monoklonale Antikörper, Chemotherapie, sonstige Therapie) erhielten. Oben sind die Absolutzahlen und unten indexierte Werte (Wert von 2017 auf 100 % gesetzt) angeführt. In die Analyse in Abb. 3 gehen nur Therapien ein, die stationär oder ambulant in einem Spital verabreicht wurden. Orale Medikamente, die zuhause eingenommen werden, sind nicht inkludiert, da sie derzeit nicht über das LKF-System erfasst werden.

Anzahl PatientInnen (jeweils Mehrfachzählung möglich)

Aufenthalte mit Brustkrebsoperation

Anzahl der PatientInnen in ausgewählten Bereichen der med. Tumortherapie

Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der Anzahl der PatientInnen, die mindestens einen Aufenthalt bzw. einen ambulanten Besuch mit Verabreichung eines monoklonalen Antikörpers hatten, in den Jahren 2017–2020 sowie die grafische Darstellung der Entwicklung, wobei das Jahr mit dem höchsten Wert orange markiert ist.

Zu Hause einzunehmende medikamentöse Tumortherapien

Viele neue innovative medikamentöse Tumortherapien, dazu zählen u.a. sogenannte Small Molecules und andere zielgerichtete Therapien, können in Tablettenform verabreicht und damit zu Hause eingenommen werden. Die Indikationsstellung und Überwachung der Therapien findet jedoch in den onkologischen Spitalsambulanzen statt. Von Seiten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wurden (erstmals) detaillierte Daten aus dem Heilmittelbereich zu Verordnungen von Zytostatika, Antikörpern, Small Molecules und endokrinen Therapien zur Verfügung gestellt. Den größten Anteil an diesen Therapien machen aktuell endokrine Therapien aus (ca. 58 %) gefolgt von Zytostatika mit ca. 28 %. Stark steigend ist der Anteil der Small Molecules, der 2020 bereits über 11 % betrug. Viele dieser Small Molecules gehören zu den hochpreisigen Medikamenten im Gesundheitssystem.

Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Verordnungsanzahl medikamentöser Tumortherapien in den Jahren 2010–2020, wobei unten die Absolutzahlen dargestellt sind und oben die Werte indexiert sind (die Werte aus 2010 werden mit 100 % angenommen).

Entwicklung Verordnungszahl onkologischer Pharmazeutika (Index 2010 = 100)

Entwicklung Verordnungszahl onkologischer Pharmazeutika (absolut 2010 bis 2020)

Onkologische Strahlentherapie

Bei den Bestrahlungen zeigt sich nach einem Anstieg bis 2019 eine Stagnation der Patientenzahlen 2020, was vermutlich auf die zu erwartende verringerte Krebsinzidenz durch die Pandemie zurückzuführen ist (vgl. Abb. 1). Eine detaillierte Analyse der unterschiedlichen Bestrahlungsarten zeigt, indexiert auf 2017 (2017 wird mit 100 % festgelegt), dass die klassische 3D-konformale Radiotherapie am Linearbeschleuniger deutlich zurückgeht, während moderne Therapieformen wie die intensitätsmodulierte Linearbeschleunigertherapie einen steilen Anstieg aufweisen und die klassischen Therapien immer mehr ablösen. Behandlungen am Linearbeschleuniger sind auch die am häufigsten durchgeführten. Der Rückgang der intraoperativen Radiotherapie ist analog zum Rückgang der onkologischen Operationen während der Pandemie zu sehen.

Abbildung 6 zeigt die Entwicklung der Anzahl der PatientInnen, die mindestens einen stationären Aufenthalt oder ambulanten Besuch mit einer Leistung aus einem der dargestellten Bereiche der Strahlentherapie hatten, indexiert auf 2017 (2017 wird mit 100 % festgelegt).

Onkologische Therapien bei älteren PatientInnen

Dazu wurden Auswertungen zu KrebspatientInnen, die eine Operation, medikamentöse Tumortherapie und/oder Strahlentherapie erhielten, für die beiden Altersgruppen unter 75 Jahre bzw. 75 Jahre und älter durchgeführt. In den Bereichen medikamentöse Tumortherapie und Strahlentherapie ist ein größerer Anstieg in der Altersgruppe 75 Jahre und älter zu sehen. Die Anzahl der PatientInnen, die im Jahr 2020 mindestens eine Krebsoperation hatten, reduzierte sich insgesamt, allerdings war die Reduktion in der Altersgruppe 75 Jahre und älter schwächer ausgeprägt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass 2020 auch bei älteren Menschen mit Krebserkrankung keine generelle Abnahme der onkologischen Behandlungsleistung zu verzeichnen war, obwohl gerade in dieser vulnerablen Patientengruppe das Risiko einer schwerwiegenden COVID-19-Infektion (vor Einführung der Impfung) als besonders hoch eingeschätzt wurde.

Anzahl KrebspatientInnen in den unterschiedlichen Bereichen der Strahlentherapie

Anzahl KrebspatientInnen unter und über 75 Jahre in onkologischen Haupttherapiebereichen

Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der Anzahl der PatientInnen in den Altersgruppen unter 75 Jahre und 75 Jahre und älter, die mindestens einen Aufenthalt oder ambulanten Besuch mit einer Leistung aus mindestens einem der drei onkologischen Haupttherapiebereiche hatten, als indexierte Werte, wobei die Werte von 2017 auf 100 % gesetzt wurden.

Karin Eglau, Armin Gerger, Monika Hackl,
Doris Kiefhaber, Ansgar Weltermann

1.  LKF: leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung.
2. Gesetzliche Grundlage ist das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen. Die Datenerhebungen und Datenübermittlungen werden durch Verordnungen geregelt und die Krankenanstalten durch detaillierte Handbücher zur Dokumentation unterstützt.
3. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die stationäre Spitalsversorgung anhand ausgewählter Bereiche. Aktualisierte Rapid Analysis - Jasmin - Journals, Articles, Symposiums, Monographs Information Network (goeg.at).
4. Ausgewertet wurden die stationären Aufenthalte mit MEL16.01 und der Hauptdiagnose aus dem ICD-10 Kapitel C bösartige Neubildungen.